Heimaturlaub
Luft, hörten das Tacken der Maschinengewehre und richteten uns danach mit unserem Weg. Auf einmal waren wir mitten drin in den amerikanischen Linien, lagen im Gebüsch nahe einer Feldwache, umgingen sie und schlichen durch das dichte Unterholz, immer näher an die erste Linie heran. Wir hatten schon vorher einen Weg gewählt, der in einen Wald mündete, und gerade durch diesen Wald zog sich die beiderseitige erste Linie. Wir legten uns also in einem Trichter auf Lauer und warteten, ob nicht von irgendeiner Seite die Aufmerksamkeit von uns abgelenkt würde.«
Der General nickte.
»Nicht übel. Da kam unverhofft unser kleiner Erkundungsvorstoß.«
»Ja. Kaum hörten wir die MGs und das Krachen der Handgranaten, sprangen wir auf und liefen wie gehetzt auf die deutsche Linie zu. Plötzlich standen Menschen vor uns, es war dunkel, wir wußten nicht, waren es Deutsche oder Amerikaner – da krachte es schon, und mein Begleiter bekam eine Kugel in den Arm. Wir warfen uns sofort hin, erwiderten das Feuer und wurden im Sturm überwältigt … es waren deutsche Soldaten …«
Der General nickte wieder. »Leider. Ihr Vorgehen kostete mich zwei Tote und drei Verwundete. Hätten beide Seiten besser aufgepaßt, so wäre dieser Irrtum vermieden worden. Aber nun schlafen Sie sich erst mal aus, Sie haben viel durchgemacht.«
Doch Hilde gab sich nicht damit zufrieden. Sie stellte sich vor den General und sah ihm fest in die Augen.
»Kann die eingeschlossene Kompanie entsetzt werden? Besteht die Möglichkeit, sie aus dem Kessel zu holen?«
Der bisher väterliche General wurde auf einmal sehr dienstlich. Das Lächeln verschwand um seine Mundwinkel, auch die Augen blickten streng und unnahbar.
»Die Kompanie? – Darüber kann ich zur Zeit nichts sagen.«
Hilde ließ sich so leicht nicht abspeisen. Sie beharrte auf ihrem Platz und wich dem Blick des Generals nicht aus. Mochte er noch so viele goldene Eichenblätter auf dem Kragen tragen – es ging hier um Heinz.
»Herr General – ich könnte nicht schlafen ohne eine klare Antwort. Mein … mein Verlobter ist dabei, Oberleutnant Heinz Wüllner.«
»Die Kompanie steht bei St. Vith?«
»Ja.«
»St. Vith ist gefallen. Der Abschnitt stand in Volhagen?«
»Ja.«
»Volhagen ist gleichfalls geräumt. Die Truppen stehen jetzt zwanzig Kilometer hinter St. Vith.«
»Und, Herr General …?«
»Wissen Sie, was zwanzig Kilometer zu erkämpfendes Gelände bedeuten? Wissen Sie, was man an Material braucht, um das wieder frei zu kriegen? Was das für Blut kostet?«
»Aber, Herr General …«, stotterte Hilde erschüttert.
Der General fuhr fort:
»Die Kompanie bestand, als Sie sie verließen, aus hundert Mann. Rechnen wir jetzt die Hälfte. Das sind fünfzig Mann. Um diese herauszuhauen, soll ich womöglich tausend Mann opfern? Wir brauchen jetzt jedes Gewehr und jeden Arm, der schießen kann … aber fünfzig Mann abzuschreiben …« Er stockte und blickte zu Boden. »Sie abzuschreiben ist bitter, doch notwendig …«
Starr stand Hilde vor diesem eisernen Gesicht. Dieselben Augen wie Heinz, dachte sie, das gleiche Kinn, die gleichen Backenknochen, das gleiche Beben der Lippen … hier war nichts zu erhoffen. Aber ihr Herz schrie, schrie auf bei dem Gedanken, daß dort draußen fünfzig Mann in Erdhöhlen und Löchern auf den Tod warteten. Männer, die Familie besaßen. Männer, denen die Hoffnung noch aus den Augen leuchtete, als sie sie verließ. Männer, die zu jung waren zum Sterben. Und mitten unter ihnen Heinz, ihr Heinz, ihr Schnöselchen … Sie sollten geopfert werden, waren schon gestrichen von der Liste der Truppen, hatten ihre Pflicht erfüllt und konnten jetzt sterben, weil niemand sie mehr brauchte – fünfzig Mann mit Gefühlen, mit Wünschen und Sehnsüchten … fünfzig Menschen!
Hilde sah zu Boden.
»Also alles verloren, alles vorbei …«
Der General zeichnete mit den blanken Stiefelspitzen einen Kreis auf den rohen Dielenboden.
»Einige andere Truppenkontingente sind gleichfalls eingeschlossen. Darunter Truppen in Bataillonsstärke. Darunter auch eine Panzerabteilung und eine Fahrkolonne. Es kann sein, daß bei ihrem Durchbruch Volhagen an der Peripherie der Linie liegt … aber dann müßte sich die Kompanie ihrerseits bis Volhagen durchschlagen …«
Hilde zitterte vor Erregung.
»Kann man die Kompanie nicht benachrichtigen? Kann man keine Funkverbindung aufnehmen?«
»Sofort nach Ihrem Eintreffen haben wir versucht, mit der Kompanie in Verbindung zu
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