Heimaturlaub
treten. Bis jetzt ohne Erfolg. Es sind zuviel atmosphärische Störungen … die Verbindung reißt immer ab. Für einen Augenblick hatten wir die Kompanie im Sucher … ein Leutnant Wirtz meldete sich und sagte, daß alles gut stünde, man würde versuchen … da brach die Verbindung ab. Das ist alles.«
»Herr General, ich habe eine große Bitte. Lassen Sie mich versuchen, wieder eine Verbindung zur Kompanie herzustellen.«
»Sie müssen schlafen!«
»Das hat Zeit. Erst muß ich die Verbindung haben.«
»Zum Teufel – Sie ruinieren Ihre Gesundheit.«
»Wenn draußen fünfzig Mann ihr Leben verlieren, kann ich meine Gesundheit opfern.«
Gegen diese Logik kam der General nicht an. Was sollte er auch darauf erwidern? Daß alle Bemühungen letzten Endes fehlschlagen würden? Daß ein Entsatz unmöglich war? Daß die Truppe im Begriff war, auch die Urfttalsperre zu räumen? Daß dem feindlichen Druck nicht mehr zu widerstehen war? Daß der Krieg verloren war und die Kapitulation vor der Tür stand? Mein Gott – fünfzig Mann! Doch für diese junge Frau war der eine Mann, dieser Heinz Wüllner, mehr wert als fünfzig Millionen! Man mußte sich in diese Seele hineindenken, mußte einmal weniger Soldat und etwas mehr Mensch sein.
So nickte er nur und rückte seine Brille auf der Nase zurecht. Er war müde, rechtschaffen müde. Dabei fing es draußen auch noch an, mit schweren Brocken zu schießen. Zum Satan – macht Frieden, und alles ist gut!
Hilde saß eine Viertelstunde später vor einem komplizierten Apparat und tastete den Äther ab nach einer Kompanie, bestehend aus hundert Mann – rechnen wir die Hälfte – fünfzig Menschen! Aber so genau und intensiv sie auch die Kurzwelle abhörte – es summte und knarrte nur in dem Apparat, es zischte und fauchte … die Störungen waren zu stark.
So verging die Nacht, der Morgen kam, und noch immer saß ein blonder Lockenkopf am Funkgerät und drehte und lauschte, gähnte, streckte die Arme, drehte und lauschte.
Melder tappten hinaus und herein, Offiziere jagten vorbei, Verwundete wurden ausgeladen, und durchfahrende Kolonnen meldeten sich zum Einsatz. Ab und zu warf einer der Landser einen Blick auf die zusammengesunken sitzende Gestalt eines Mädchens mit wirren blonden Locken und dachte sich: Na, die ist glücklich, ein bißchen Telegrafie, gutes Essen und dann ins Bett … und sie tappten weiter, kamen sich wichtig vor und schimpften auf die Schweinerei der Etappenhengste.
Nur einer der Stabsoffiziere blieb einen Augenblick vor dem Gerät stehen und legte die Hand auf die Schulter des Mädchens.
»Jetzt wird aber Schluß gemacht. Legen Sie sich schlafen – zu essen gibt es im Kasino.«
Aber da schüttelte das Mädchen die blonden Locken und suchte weiter … und lauschte.
So saß sie, ohne die Zeit zu spüren, gönnte sich kaum Essen, kaum ein bißchen Schlaf im Sitzen … mit magischer Gewalt zog es sie zum Funkgerät, und je weiter die Stunden eilten, um so blasser wurde das schmale Gesicht, um so verkniffener die Lippen, um so starrer der Blick.
Schließlich wagte niemand mehr, die verzweifelte Frau anzusprechen, die tagelang einen vergeblichen Kampf führte. Denn daß die Kompanie längst nicht mehr bestand, war allen klar, die nur einen Augenblick im Trommelfeuer der Schlacht gelegen hatten. Aber konnte man diesem Mädchen so kraß ins Gesicht sagen: Hör, Kleine, laß das Suchen sein, die Kompanie ist futsch!
So kam es, daß immer eine merkwürdige Stille entstand, wenn Hilde an ihrem Gerät hantierte; der laute Ton erstarb für Sekunden zu einem Flüstern, und man meinte, jeden Augenblick müsse jemand den Hut abnehmen wie bei einem stillen, ehrenvollen Begräbnis.
Nur Hilde merkte es nicht. Sie war so weit weg mit ihren Gedanken, daß sie ihre Umgebung fast nur schemenhaft sah, wie in einen Nebel gehüllt, aus dem sich klar, überklar ein Apparat schälte mit Spulen, Knöpfen, Drähten und Batterien. Saß sie dann davor, dann versank alles um sie her, dann war der Äther ihr Reich, der Drang nach leisen, tickenden Zeichen ihre Seele, die Hoffnung der einzige Glanz ihres Lebens.
»So geht das nicht weiter, meine Herren«, sagte schließlich der General. »Das Mädchen muß aufgeklärt werden. Ich kann es nicht mehr länger mit ansehen, wie sie sich aufzehrt in einer Sehnsucht und einer Hoffnung, die nie erfüllt werden kann. Wer übernimmt es, sie von der Wahrheit zu unterrichten?«
Aber da zeigte sich, daß wohl alle das EK I trugen, manchen
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