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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben wir auch das Schwein – es brät im Keller an einem Spieß. Stohr dreht es mit liebevoller Miene herum und übergießt es mit Fett! Es duftet wundervoll!
    Wie unser Beobachter meldet, ziehen sich die Panzer bis außer Schußweite zurück. Warum bloß? Sie brauchen nur einen richtigen Sturm zu wagen, und wir sind zermalmt. Oder ob sie uns in aller Ruhe den Schinken essen lassen wollen? Aber was gilt an der Front schon ein Schinken! Hier geht es um das Ende! Wir werden überrollt werden und als vermißt gelten.
    Wer einmal diese Zeilen lesen wird, der wird sagen: arme Kerle. Aber er irrt sich. Wir sind nur ein wenig traurig, so kurz vor dem Ende erwischt zu werden. So kurz vor dem Ende eines Krieges, der keinen Sinn hatte.
    7 Stunden später.
    Der Amerikaner verhält sich still. Er wartet scheinbar. Der Leutnant will einen Melder losschicken. Dieser Melder soll versuchen, sich bei Nacht durch den Ring zu schleichen, um Verbindung aufzunehmen und Ersatz anzufordern. Die Munition wird knapp, und die Verpflegung wäre ohne das Schwein ein Problem.
    Zu dieser Aufgabe hat sich ein Mann gemeldet, ein Mann, der noch ein Junge ist … 19 Jahre, Abiturient aus Weimar. Aber dieser Bursche hat scharfe Falten um den jungenhaften Mund und harte, vom Leben wissende Augen. Er meldete sich freiwillig, will sich das Eiserne Kreuz verdienen … er hat in Weimar ein Mädchen, das zu ihm sagte, sie werde ihn nur heiraten, wenn er das EK I nach Hause bringe.
    Ich bedauere ihn, habe das Reservemikrofon ausgepackt und seine Stimme aufgenommen. Er sprach einen kurzen Abschied an seine Mutter; er ist der einzige Sohn. Ihm gebe ich meine Tonaufnahmen und diese losen Blätter mit … Ob der Junge durchkommt?! Unsere Hoffnung begleitet ihn.
    Sonntag, den 4. Februar 1945
    Wir haben eine Igelstellung gebildet. Die ganze Kompanie wurde in vier Teile getrennt: Gruppe Nord unter dem Befehl von Leutnant Wirtz, Gruppe Ost und Süd unter dem Befehl von Oberfeldwebel Ringhaus, Gruppe West unter meinem Kommando. Im Inneren des Dorfes blieb ein Reservetrupp zurück, den Stohr übernommen hat. Dieser Zug umfaßt 13 Mann für den äußersten Notfall. So haben wir alle unsere Stellungen am Dorfrand bezogen und warten auf die Erfüllung unseres Schicksals. Den Melder haben wir nicht losgeschickt, weil die Nacht zu hell war und der Amerikaner mit Scheinwerfern unsere Stellung ableuchtete. Wenn er das jede Nacht tut, so hat es überhaupt keinen Zweck, an eine Verbindung mit der Truppe zu denken.
    Zu allem Überfluß ist Tauwetter eingezogen. Erst Neuschnee, jetzt Tauwetter … Nun ist das ganze Dorf ein Sumpf, dazwischen liegen die Tier- und Menschenleichen, die wir unter der Schneedecke nicht ahnten. Unter anderem fand ich bei den Toten einen Leutnant vom Stabe des Obersten Luchwitz, dem eine Granate das halbe Gesicht weggerissen hatte. Also von dieser Truppe stammen die Toten … sie liegen demnach schon über zwei Wochen unbeerdigt hier herum! Da sie gefroren waren, ging es noch an … aber jetzt tauen die Leichen auf. Noch eine Woche hier im Dorf und wir werden alle krank und krepieren an Typhus oder Cholera.
    Gegenwärtig ist es ruhig bis auf vereinzeltes Infanteriefeuer. Ich sitze in der Stellung unter dem Giebel eines zerschossenen Hauses und tippe. Vor einer Stunde kroch ein amerikanischer Propagandamann auf Hörweite heran und gab uns durch einen großen Lautsprecher die neuesten Nachrichten bekannt. Demnach sind die Amerikaner beiderseits von St. Vith durchgebrochen, haben die Stellung unserer Division aufgerollt und stünden dicht vor der Urfttalsperre. Die Division aber sei völlig aufgerieben.
    Ist dies die Wahrheit – was ich nicht bezweifle –, so sehen wir unsere Heimat nicht wieder.
    Ein paar Mann haben gestern geweint, richtig geweint – es waren Familienväter mit vier oder mehr Kindern. Ich habe noch nie Männer so weinen sehen wie diese harten Kerle mit dem EK und dem Sturmabzeichen. Aber ich kann sie verstehen – es gibt Augenblicke, in denen Tränen die einzige Medizin gegen Verzweiflung sind.
    Montag, den 5. Februar 1945
    Wilhelm von Stohr ist verwundet!
    Beim letzten Angriff hat er einen Oberschenkelschuß erhalten, aber der Knochen ist nicht verletzt. Jetzt liegt er bei mir im Keller, schmerzgekrümmt, und hat mir an seine Frau und seine drei kleinen unmündigen Kinder einen Abschiedsbrief diktiert. Er fühlt, daß es mit ihm zu Ende geht. Erst der rechte Arm ab, jetzt das linke Bein. Das hält kein Mensch aus!
    Und so

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