Heimaturlaub
diktierte er. Ich leugne es nicht … mir standen die Tränen in den Augen. So etwas Gefaßtes und doch Hilfloses. Ich habe ihn dann neu verbunden und ein wenig besser gebettet. Nun liegt er da und sieht mir zu, wie ich diese Zeilen schreibe.
Lieber Kamerad Stohr, du kommst schon durch – wenn nicht in Deutschland, so in einem Lazarett in Frankreich oder in Kanada, wo nur Ruhe ist … Denke an unser Schwein und lächle, Kamerad … Du darfst mir nicht sterben, hörst du? Du darfst es nicht! Du bist doch ein Mann von der Presse und hast gelernt, allen Gefahren mit Frechheit zu trotzen. Trotze jetzt dem Tod mit der gleichen Frechheit …!
Wir haben keinen Arzt hier, der Sanitäter ist als einer der ersten gefallen, das Verbandszeug ist aufgebraucht. Um mich herum liegen andere verwundete Kameraden, einer hat den Wundbrand und schreit wie ein Irrer … wir können ihm nicht helfen … wir haben keine Mittel, keine Arznei – wir haben nur eine Kugel für dich, Kamerad … So müssen Menschen sterben, blühende, hoffnungsvolle Menschen … ach, ich will nicht denken.
Kamerad Stohr, still, still, – es kommen Zeiten des Friedens für uns alle … nur Geduld … ein bißchen Geduld …
Ich müßte jetzt hinaus mit meinem Mikrofon und sehen, ob etwas zu berichten ist. Die Artillerie schießt so verdächtig. Aber ich habe keine Lust. Was soll ich auch berichten? Alles ist so trostlos – und das darf ich nicht sagen!
Das Farbband der Maschine ist naß geworden. Draußen rumpelt die Artillerie. Ob sie wieder angreifen?
6 Stunden später.
Ein Infanterieangriff ist abgewehrt. Aber die Artillerie trommelt. Wir hören schon gar nicht mehr hin … es fehlt uns direkt etwas, wenn sie nicht trommelt. Und müde sind wir, unendlich müde.
Wir haben uns verkrochen, alle Nerven sind angespannt. So vergeht ein Tag nach dem anderen. Und kein Ersatz, keine Verbindung!
Es ist jetzt 23 Uhr. Zu Hause liegt alles friedlich im Bett. Schlaft wohl, ihr Lieben …
Dienstag, den 6. Februar 1945
Ich habe ein neues Farbband eingelegt und schreibe diese Zeilen in einer trostlosen Stimmung. Unsere halbe Kompanie ist gefallen – wir sind nur noch ein Häuflein gegen ein Bataillon Amerikaner und eine Masse von Panzern. Wenn nicht bald Ersatz kommt, ist alles verloren. Die Munition wird knapp, die Verwundeten darf man nicht sehen. Man lernt das Grauen, blickt man sie an. Mit durchblutetem Verband, verdreckt, vom Wundfieber geschüttelt, mit rasenden Schmerzen liegen sie im Keller und lassen die Feuerwalzen über sich ergehen.
Ich sitze bei meinem Freund Wilhelm von Stohr. Sein Gesicht ist gedunsen, sein Mund blau und blutig, weil er sich auf die Lippen beißt, um nicht vor Schmerzen gellend aufzuschreien. Sein Verband ist völlig durchblutet – ich habe ihm jetzt Fetzen um die Wunde gewickelt, Fetzen einer alten Wolldecke. Er sieht mich an wie ein Tier, das sterben muß … so hilflos … so hoffnungslos, so flehend.
Soll ich meine Pistole nehmen …?
Ich muß wegschauen, um nicht seine Augen zu sehen. Blicke ich ihn an, so möchte ich hemmungslos losheulen.
Freund, Kamerad, sei ruhig. Wir kommen aus dieser Hölle heraus. Du wirst noch viele Artikel schreiben und viele Aufnahmen machen, genau wie ich … Du mußt nur daran glauben, ganz fest daran glauben … Kamerad von Stohr. Nur ruhig, nur Mut … einmal ist alles vorbei … so oder so …
Er will es glauben, und dabei zerknüllt er die Decke über sich vor Schmerzen …
Ich muß hinaus. Der Posten gibt Alarm. Es geht wieder los!
Der Tod spielt zum Tanze auf.
Herr, mein Gott – wann ist dies hier zu Ende!
Und warum, ja warum müssen Kriege sein …?
Mittwoch, den 7. Februar 1945
Es ist Abend. Ununterbrochen liegt unser Dorf unter Beschuß. Es rumst von allen Seiten. Der Keller wackelt … wie doch so ein leichter Keller schützen kann. In Berlin fühlte man sich unter sieben Meter Beton nicht sicher, und hier hat man knapp einen Meter Decke über sich und sieht doch, wie geborgen man ist. Oder man bildet es sich ein! Seit vorgestern hält der Sturm der Infanterie auf unsere Igelstellung zu. Wir sind im Kampfraum der Amerikaner wie eine Klippe, gegen die jetzt die ganze Brandung anbraust.
Aber heute abend, bei diesem Feuer, ist kein Angriff zu erwarten. Man will uns mürbe schießen. So haben wir nur die nötigsten Posten aufgestellt und uns alle hier im großen Bürgermeisterkeller versammelt.
Ein verlorener Haufen …
Ich überblicke die kleine Schar. Wie ist sie
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