Heimkehr
stach aus dem Dschungel he r vor. Die Jungen h a tten an einer Seite die Kletterpfla n zen und das Moos beseitigt und ein Fenster in einer Steinw a nd freigelegt. Retyo entzündete die Fackel, die er m itgeb r acht hatte, und wir kletterten einer nach dem anderen vorsichtig ins Innere. Die Vegetation hatte die Mauer m i t ihren Wurzeln und Ranken durchdrungen. Auf dem sch m utzigen Boden konnten wir die schlammigen Spuren der Füße unserer Jung e n erkennen. Ver m utlich haben die beiden diesen Ort schon viel länger erforscht, als Petrus zugibt. Ein Bettgestell stand m it Stofffetzen gesch m ückt in einer Ecke des Raumes. Insekten und Mäuse hatten den Betthimmel zu Fetzen ze r fressen.
Trotz des Dämmerlichts und des Verfalls gab es noch einen Widerhall von Liebli c hkeit in d i esem Raum. Ich packte einen Fetzen von einem verrotteten Vorhang und rieb da m it eine Stelle von einem Fries frei. Eine Staubwolke stieg auf, doch die V e rblüffung erstickte meinen Husten. M eine Künstlerseele e r glühte, als ich die elegant gefor m ten und bemalten Flies e n sah, die ich freigelegt hatte. Mein Mutterherz jedoch blieb beinahe stehe n , als ich die Bilder darauf sah. Die Gestalten der ge m a lten Kreaturen waren groß und dünn, Menschen, die wie stangenför m ige Insekten dargestellt waren. Dennoch schien das nicht bloße Laune des Künstlers gewesen zu sein. Einige hielten Musikinstrumente in den Händen, vielleicht waren es auch Waffen. Das konn t en wir n i cht erkennen. Im Hintergrund ernteten Menschen ein Schilfbeet am Fluss ab wie Bauern ein Feld. Eine Frau auf einem großen goldenen Thron überblickte das alles und schien hocherfreut darüber zu sein. Ihr Gesicht war ernst und dennoch freund l ich. Ich hatte das Gefühl, als hätte i c h sie schon ein m al gesehen. Ich hätte sie noch länger angestarrt, aber Chellia v e rlangte, dass wir nach ihrem Sohn suchten.
Mit einer Strenge, die ich gar nicht e m pfand, forder t e ich Petrus auf, uns zu zeigen, wo er m it Olpey gespielt hatte. Er erbleichte, als ihm klar wurde, dass ich die Wahrheit erraten hatte. Wir verließen das Schlafzimmer über eine kurze Treppe nach unten. Un t e n an ihr e m Absatz befanden sich zwei Fenster mit dickem Glas, a b er als Retyo sei n e Fackel h o chhielt, beleuchte t e ihr flackerndes L i cht fette weiße Wür m er, die sich in der von außen dagegen gepressten Erde rührten. Wir betraten eine große Halle. Unter unseren Füßen zerfielen Teppiche in feuchte Fetzen. Wir ging e n an Türen vorbei, von denen einige geschlossen waren, andere dagegen off e ne Durchgänge m it gähnenden schwarzen Mäulern. Petrus indes führte uns weiter. Schließlich gelangten wir an die Spitze einer Treppe, die weit großartiger war als die erste. Als wir diese breite Treppe in einen fins te ren A bgrund h i nun t erstiegen, war ich froh, Retyo an mei n er Seite zu haben. Seine Ruhe stärkte meinen schwindenden Mut. Die uralte Kälte des Steines drang durch meine zerschlissenen Schuhe und kroch m ir über die Beine bis ins Rü c kgrat, als wollte sie nach meinem Herzen greifen. Uns e re Fackel beleuchtete kaum mehr als unsere verängst i gten Gesichter. Wir hörten auf zu flüstern, und in der Stille v e rnahmen wir geisterhafte Echos. Wir gelangten erst an einen, dann zu einem zweiten Absatz, doch Petrus sagte wed e r ein Wort noch zögerte e r , uns weiter in die Tiefe zu führen. Es kam m ir vor, als wären wir vom Schlund ein e r gewaltigen Bestie verschluckt und gelang t en nunmehr in ihren Bauch.
Als wir schließlich den Fuß der Treppe erreichten, ver m ochte unsere e i nsa m e Fackel die Schwärze um uns herum nicht mehr zu durchdr i ngen. Die Flamme blakte in der Zugluft eines gewaltigen Raumes, und trotz der Dunkelheit war m ir klar, dass g e gen diese Halle selbst der große Ballsaal im Palast des Satrapen bescheiden wirken würde. Langsam tastete ich m i ch vor, doch plötzlich löste sich Carl m in furchtlos von meiner Hand und verschwand aus dem Lichtkreis der Fackel. Ich rief ihn zurück, aber die einzige Antwort waren seine Schritte, während er sich hastig von uns entfernte. »Oh, so lauf ihm doch nach!«, rief ich Retyo zu, aber gerade, a l s der sich dazu an s chickte, erhellte sich der Raum u m uns schlagartig, als hätte ei n e ganze Horde von Geistern g l eichzeitig ihre Laternen angezündet. Ich schrie vor Schreck auf und stand dann wie betäubt da.
Mitten in der Halle richtete sich ein gewaltiger grüner Drac h e auf die
Weitere Kostenlose Bücher