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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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erwiderte er. »Meister nicht.«
    Ich nickte zustimmend: »So ist es.«

27
     
    Er hatte mir die Chance gegeben zu sagen, was ich wollte, er dachte inzwischen darüber nach, und ich hielt es für das Beste, für eine Weile zu verschwinden.
    Ich warf einen Blick auf die Landschaft und fragte mich, wie sie wohl aussehen würde, wenn ich wiederkäme. »Bis zum nächsten Mal«, flüsterte ich.
    »Bist du ein Meister?« fragte er.
    »Selbstverständlich. Ich und du und alle anderen. Aber wir vergessen das allzu leicht.«
    »Wie machen sie es?« fragte er.
    »Was?«
    »Wie ändern Meister ihr Leben nach Belieben?«
    Ich lächelte über die Frage. »Mit starken Werkzeugen.«
    »Wie bitte?«
    »Ein weiterer Unterschied zwischen Meistern und Opfern besteht darin, daß Opfer nicht gelernt haben, sich starker Werkzeuge zu bedienen, wohingegen Meister sie die ganze Zeit verwenden.«
    »Elektrische Bohrmaschinen oder Sägen?« Er tappte völlig im dunkeln. Ein guter Lehrer hätte ihn allein herumknobeln lassen, aber leider bin ich viel zu geschwätzig.
    »Keine elektrische Sägen. Freie Wahl. Das Zauberschwert, dessen Klinge ein Leben lang scharf bleibt. Was aber nützt uns die freie Wahl, wenn wir Angst davor haben, etwas anderes zu wählen als das, was wir schon haben? Dann kann man auch die Finger davon lassen und
    braucht sich nicht die Mühe zu machen, die Gebrauchsanleitung zu lesen.«
    »Wer fürchtet sich denn davor, die Möglichkeit der freien Wahl zu nutzen?« fragte er. »Was ist daran so schreckenerregend?«
    »Sie macht uns anders !«
    »Na, na…«
    »Okay, dann verzichte darauf«, sagte ich. »Mach, was alle machen würden, in jeder Minute deines Lebens. Was passiert denn dann?«
    »Ich gehe zur Schule.«
    »Ja. Und?«
    »Ich mache Examen.«
    »Ja. Und?«
    »Ich nehme einen Job an.«
    »Ja. Und?«
    »Ich heirate.«
    »Ja. Und?«
    »Ich habe Kinder.«
    »Ja. Und?«
    »Ich helfe ihnen, die Schule ordentlich zu beenden.«
    »Ja. Und?«
    »Ich trete in den Ruhestand.«
    »Ja. Und?«
    »Ich sterbe.«
    »Und wenn du dann stirbst, was sind deine letzten Worte?«
    Er dachte über sie nach. » Was soll’s?«
    »Selbst wenn du alles tust, was man von dir erwartet: Du bist ein gesetzestreuer Bürger, ein perfekter Ehemann und Vater, du wählst, du spendest, du bist tierlieb. Du lebst also den Erwartungen gemäß, und dann sind deine letzten Worte: ›Was soll’s?‹ «
    »Hm.«
    »Weil du dein Leben nie selbst gewählt hast, Dickie!
    Du hast nie eine Änderung gewollt, nie nach dem verlangt, was du liebtest, es nie gefunden; du hast nie den Sprung in die Welt gewagt, die dir so viel bedeutete; nie gegen die Drachen gekämpft, von denen du annahmst, daß sie dich auffressen würden; und dich nie Zentimeter für Zentimeter an Felswänden entlanggehangelt, um dich in Sicherheit zu bringen, weil du sonst in den Tod gestürzt wärst! Die freie Wahl, Dickie! Wähle, was du liebst, und jage ihm wie ein Irrer hinterher, und ich, deine Zukunft, verspreche dir feierlich, daß du nie an dem ›was soll’s‹ sterben wirst!«
    Er blickte mich von der Seite an. »Versuchst du gerade, mich zu überzeugen?«
    »Ich versuche dich davon abzuhalten, so wie bisher weiterzumachen. Das bin ich dir schuldig.«
    »Was ist, wenn du mich tatsächlich überzeugst? Was passiert, wenn ich lerne, selbst meine Wahl zu treffen, egal, was die anderen sagen, und mich dort bei den Felsen in die Luft schwinge? Wird mich dein Zauberschwert schützen?«
    Ich seufzte: »Dickie, seit wann erstrebst du Sicherheit? Nur wenn du auf sie pfeifst, wird dein letztes Wort Ja sein!«
    »Die Platane«, sagte er.
    »Welche Platane?«
    »… im Garten vor dem Haus. Sie steht immer dort, sie ist immer da. Wenn ich Angst habe, gäbe ich alles darum, dieser Baum zu sein. Wenn ich keine habe, könnte ich sein ödes Leben nicht ertragen.«
    Der Baum lebt dort immer noch, dachte ich, aber ist er größer geworden, er ist noch belaubter, und er hat ein halbes Jahrhundert dadurch überdauert, daß er seine Wurzeln immer tiefer in den Boden trieb.
    »Auf die Sicherheit pfeifen bedeutet nicht, sich selbst zu vernichten«, sagte ich. »Niemand steuert ein superschnelles Flugzeug, bevor er nicht gelernt hat, eine Cub zu fliegen. Wenig Auswahl, wenig Nervenkitzel vor den großen Abenteuern. Und eines Tages kommt dann überraschend die große Flugshow, die Monstertriebwerke der Maschine dröhnen, die Welt ist nur noch eine verschwommene grüne Fläche fünfzig Fuß unter dir, du ziehst

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