Heimkehr am Morgen (German Edition)
Mittel dafür bereitzustellen, und gab eine Bestellung auf. Sieteilte ihm auch mit, was sie noch erfahren hatte: Orte, an denen sich größere Menschenmengen versammelten, wie Kirchen, Theater oder Schulen, sollten geschlossen, politische Versammlungen und Paraden abgesagt werden. Er war sofort einverstanden (sicher auch wegen des alarmierenden Zustands seines Sohnes) und leitete dem
Powell Springs Star
, der zweimal wöchentlich erscheinenden Lokalzeitung, eine offizielle Bekanntmachung zu. Der Herausgeber hielt diese für so wichtig, dass er ein Extrablatt drucken ließ, was in der zwanzigjährigen Geschichte der Zeitung bisher erst zweimal vorgekommen war.
Das Rote Kreuz fragte an, ob Jessica die Hilfe einer Krankenschwester benötige, aber sie lehnte ab. Noch kam sie allein zurecht. Dr. Martin vom Allgemeinen Krankenhaus in Seattle empfahl dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie das Rote Kreuz und erwähnte, dass an der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs gearbeitet werde.
Helen Cookson nahm sich ein Zimmer im Hotel und blieb in der Stadt, um bei der Pflege ihres Sohnes zu helfen, wofür Jessica sehr dankbar war. Dies gab ihr die Gelegenheit, etwas Schlaf nachzuholen, sich zu waschen und umzuziehen. Die kleine Krankenstation roch inzwischen nach Krankheit, Kampfer und Vicks VapoRub.
Durch Helens Unterstützung konnte sich Jessica eine kurze Verschnaufpause gönnen und mit Amy auf einen Imbiss in Brill’s Konditorei treffen. Dort gab es nur eine ziemlich übersichtliche Speisekarte, die hauptsächlich aus ungesunden Limonaden und süßem Gebäck bestand, aber da sie beide gehört hatten, Granny Mae sei immer noch wegen der Sache mit Eddie verstimmt, mieden sie ihr Café lieber.
Wie üblich wirkte Amy wie aus dem Ei gepellt, die Schuhe farblich auf Handschuhe und Tasche abgestimmt. Ihr honig-blondes Haar war in Locken gelegt und unter einem modischen Hut hochgesteckt. Jessica hatte sich zumindest das Gesicht gewaschen, das Haar gekämmt und die Zähne geputzt. Angesichts der letzten vierundzwanzig Stunden war sie damit vollauf zufrieden.
Bei Eiersalat-Sandwiches und Eistee deutete Amy ungehalten mit dem Zeigefinger auf Bürgermeister Cooksons Bekanntmachung in der Zeitung. »Das kann doch nicht sein Ernst sein! Wenndas Kriegsanleihen-Komitee nicht tagen kann, wie sollen wir dann Geld sammeln?« In einem für sie äußerst ungewöhnlichen Temperamentsausbruch schlug sie mit der Faust so fest auf die Marmortischplatte, dass Geschirr und Besteck klirrten. »Es ist einfach nicht fair! Niemand außer dem armen Eddie Cookson ist wirklich krank, und er steht ja praktisch bei dir unter Quarantäne. Wie könnte sich denn da noch jemand mit Grippe anstecken?«
Das Mädchen an der Theke starrte zu ihnen herüber.
»Pst!«, sagte Jess leise, einigermaßen erstaunt über diesen Wutanfall. »Es gibt bereits vermehrt Krankheitsfälle.« Sie erzählte Amy einen Teil dessen, was sie erfahren hatte. »Ich habe den Bürgermeister gebeten, größere öffentliche Veranstaltungen wie Gottesdienste zu verbieten und die Schulen zu schließen. Als Nächstes sind vermutlich Orte wie dieser hier oder Maes Café dran.«
»
Du
warst das! Jess, wie konntest du nur? Du weißt doch, was es mir bedeutet.«
»Um Himmels willen, Amy, ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist, aber …«
Das Gesicht ihrer Schwester nahm einen gequälten Ausdruck an. »Nein, kannst du nicht. Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass Cole mich ins Hotel zum Abendessen ausführt und mir einen Antrag macht …« Tränen quollen ihr aus den Augen, und sie tupfte sie hastig weg. »Heiraten war schon immer mein Traum, und jedes Mal, wenn ich denke, jetzt hält er um meine Hand an, kommt irgendetwas dazwischen. Seine Arbeit, die Ranch, und jetzt das. Du kannst weder nachfühlen noch wissen, wie enttäuschend das ist!«
Jess musterte sie einige Sekunden lang scharf. »Oh doch, ich weiß sehr wohl, wie sich das anfühlt. Vielleicht erinnerst du dich daran, wen
ich
heiraten wollte, bevor du …« Sie brach ab. Womöglich würde sie sonst etwas sagen, was sie hinterher bereute.
Amy starrte sie einen Augenblick lang schuldbewusst an und senkte dann mit flammend geröteten Wangen den Blick auf ihren Teller. »Ja, natürlich«, murmelte sie.
Eine Weile aßen sie schweigend weiter, während sich Jessica bemühte, den Zorn, der in ihr aufgeflackert war, zu ersticken. Seitsie nach Powell Springs zurückgekehrt war, versuchte sie sich von ihrer besten Seite zu zeigen
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