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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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einmal daraus auftauchen würde.

Kapitel 11
    Die Zeit wurde relativ, während Jess neben dem Bett ihres Patienten saß und auf seine Mutter wartete. Die Wartezeit selbst verging im Schneckentempo, und Jess fürchtete schon, dass die Frau keine Gelegenheit mehr haben würde, sich von ihrem Sohn zu verabschieden. Für Eddie jedoch, dessen Stunden gezählt waren, verflog die Zeit rasend schnell. Jessica beobachtete, wie sich seine Brust bei jedem rasselnden Atemzug mühsam hob und senkte. Die Atmung war unregelmäßig geworden und stockte manchmal für mehrere quälende Sekunden, bevor sie mit einem Keuchen wieder einsetzte. Draußen begann es laut klatschend zu regnen.
    »Halt durch, Eddie«, beschwor sie ihn und drückte ihm die Hand, »bitte halt durch. Du kannst noch nicht gehen. Du musst auf deine Mutter warten. Sie wird bestimmt jeden Augenblick hier sein.« Sie wusste nicht, ob er sie überhaupt hörte.
    Endlich vernahm Jess ein wildes Klopfen an der Haustür und dann das Rasseln eines Schlüssels im Schloss. Sie rannte zum Treppenabsatz, beugte sich über das Geländer und sah, dass Cole Helen mit seinem eigenen Schlüssel eingelassen hatte.
    Die arme Frau war bis auf die Haut durchnässt. Offensichtlich hatte sie sich in aller Eile angezogen, denn sie trug nur ein dünnesKleid und Hausschuhe und keinen Mantel darüber. Das Haar klebte ihr am Kopf, und ihr geflochtener Zopf hing ihr nass und schwer auf dem Rücken.
    »Ist er …?« Helens Stimme brach.
    »Es ist noch nicht zu spät. Kommen Sie schnell.«
    Hastig sprang Helen die Treppe hinauf. Die Trauer hatte sich bereits tief in ihre Gesichtszüge eingegraben. Jess tätschelte ihr die Schulter und ging dann in die Praxis hinunter, um Mutter und Sohn nicht zu stören.
    Cole stand groß und lässig in der Tür des Wartezimmers. Auch er war völlig durchnässt, und das dünne braune Hemd klebte ihm am Körper. Obwohl er immer noch seinen Hut trug, lockte sich durch die Feuchtigkeit sein blondes Haar an den Spitzen.
    »Liegt er im Sterben?«, fragte Cole leise.
    Jess nickte.
    Dass jemand in der Blüte seines Lebens so schnell dahingerafft wurde, entsetzte Cole. »Er ist doch erst seit zwei Tagen krank!«
    »Das ist es ja«, flüsterte Jess. »Es ist beängstigend. Mir war wichtig, dass seine Mutter Gelegenheit hat, ihn noch einmal zu sehen, aber er wollte nicht, dass ich ihn allein lasse.« Sie spielte mit einigen Haarsträhnen, die ihr Gesicht umrahmten. »E-er hat gesagt, am Fußende seines Bettes würde jemand sitzen, der nur darauf wartet, dass er stirbt.«
    Cole starrte sie an. »Hast du irgendwen …?«
    Sie schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern. »Also konnte ich sie nicht selbst holen gehen.« Sie reckte das Kinn. »Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe. Aber was hattest du um diese Zeit eigentlich da draußen zu suchen?«
    Auch er hatte die Stimme gesenkt. »Ich musste drüben noch ein paar Dinge erledigen.«
    »Um Mitternacht.«
    »Na ja,
du
bist ja auch wach.« Obwohl sie immer noch schön war, sah sie dennoch aus, als habe sie seit Tagen kein Auge zugemacht. Ihre weiße Schürze hatte Flecken, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten.
    »Ich muss arbeiten.«
    »Genau wie ich.« Cole hatte ihr nur die halbe Wahrheit erzählt, und ihm war klar, dass sie ihn durchschaute. Natürlich fand die Arbeit dieser Tage kein Ende, aber er war in die Stadt gekommen, weil er es nicht mehr ausgehalten hatte, Löcher in die Zimmerdecke über seinem Bett zu starren. Wie Susannah hatte er seit Wochen keine Nacht mehr durchgeschlafen. Seine Schwägerin hatte einen guten Grund dafür, über seinen war er sich nicht recht im Klaren. Statt sich also unruhig hin- und herzuwälzen, bis das Bettzeug in einem Klumpen am Fußende seines Bettes lag, hatte er sich heute Nacht angezogen und war zur Schmiede gefahren.
    Forschend betrachtete Jessica sein Gesicht auf der Suche nach dem wahren Motiv. Als sie noch ein Paar gewesen waren, hatte Jess immer gemerkt, wenn er etwas vor ihr verbarg. Er wusste nicht, ob das weibliche Intuition war oder ärztliches Einfühlungsvermögen. Vielleicht kannte sie ihn auch einfach so gut. Er wich ihrem fragenden Blick aus und ließ sich auf einen Stuhl nieder.
    Auch Jess setzte sich. So verharrten sie in stillschweigendem Einvernehmen, um Totenwache zu halten.
    »Sind noch mehr Leute krank geworden?«, fragte er.
    »Ein paar, aber es hat niemanden so schwer erwischt wie Eddie. Noch nicht.«
    »Du glaubst also, es wird schlimmer

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