Heimkehr am Morgen (German Edition)
schwang mit einem Klingeln die Haustür auf und schloss sich wieder. Das Geräusch von Stiefelabsätzen auf dem Dielenboden ließ erahnen, dass es sich bei dem Neuankömmling um einen Mann handelte.
»Jessica?«
Oh nein …
Cole rauschte ins Hinterzimmer und brachte einen Schwall frischer Nachtluft mit. Sein Erscheinen veränderte die Atmosphäre im Raum. Jess fuhr zusammen, und Adam drückte ihre Hand noch stärker.
Cole trug eine kleine Holzkiste. »Jessica? Ich habe Licht bei dir gesehen …« Sein Blick fiel auf Adam und die traute Szene, undseine Miene wurde finster. »Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.«
»Adam war so nett, mir etwas zum Abendessen zu bringen.« Als sie merkte, dass Adam immer noch ihre Hand umklammert hielt, befreite sie sich mit einiger Anstrengung aus seinem Griff. Ihr Rücken fühlte sich so steif an wie ein Vatermörderkragen.
Cole starrte Adam an. In dem gedämpften Lampenlicht ließen sich seine Augen nicht erkennen. »Ah ja. Deine guten Taten scheinen ja kein Ende zu nehmen, Adam. Susannah hatte dieselbe Idee. Na ja, fast. Sie schickt nur diesen Brotpudding da drin, von Händchenhalten hat sie nichts erwähnt.«
»Platzt du immer ohne anzuklopfen rein?«, wollte Adam wissen.
»Mir war nicht klar, dass ich bei irgendwas störe. Dann ist das anscheinend dein Einspänner, der ein Stück die Straße runter steht? Du hattest wohl Angst, dass jemand ihn erkennt?«
Verärgert zerknüllte Jess ihre Serviette, aber Adam stand bereits auf. »Was willst du damit andeuten, Braddock?«
Auf Coles Gesicht erschien ein sardonisches Grinsen. »Nichts, gar nichts. Ich bin nur hergekommen, um auf Susannahs Geheiß Schweinekoteletts und den Brotpudding abzuliefern, und das ist alles. Wie steht’s mit dir?«
»Du hattest schon immer eine schmutzige Fantasie«, zischte Adam, die Wangen hochrot vor Zorn. »Schon als wir Kinder waren, und daran hat sich nichts geändert …«
Auch wenn Cole ihn provoziert hatte, war Jessica doch überrascht, wie schnell Adam in die Luft ging. »Das reicht, ihr beiden! Ich habe keine Lust auf euren Streit, der Tag war hart genug!«
Adam setzte sich, um Fassung bemüht. »Bitte entschuldige, Jessica.«
Cole sah sie ruhig an. In seinen Augen stand dieselbe Frage, die er ihr schon heute Nachmittag gestellt hatte:
Was willst du von ihm?
Aber er stellte nur die Kiste auf den Arbeitstisch und bemerkte: »Susannah hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Das ist lieb von ihr. Bitte sag ihr vielen Dank.«
Er tippte mit dem Finger an die Krempe seines Stetson und wandte sich zum Gehen. »Bis demnächst.« Adam warf er noch einen langen Blick zu, sagte aber nichts mehr. Sie hörten, wie sich seine Schritte durchs Wartezimmer entfernten, dann das Öffnen und Schließen der Tür.
»Ich frage mich manchmal, wie deine Schwester sich mit einem Mann einlassen kann, der so derb und lüstern ist.« Ihre Blicke trafen sich, und ihm schien erst jetzt wieder einzufallen, dass ja auch Jessica sich mit Cole
eingelassen
hatte. Die Erinnerung an die peinliche Begegnung an einem Sommertag am Fluss stand ihnen beiden noch deutlich vor Augen. Dieser wunderbare Sommertag, voll süßer Verzweiflung …
Verlegenes Schweigen breitete sich aus. Schließlich begann Jessica das Geschirr zusammenzustellen. Die einigermaßen harmonische Atmosphäre zwischen ihnen hatte sich verflüchtigt, und Jess wünschte sich nichts sehnlicher, als Adam los zu sein und nach oben gehen zu können. »Ich sollte die Sachen rasch abspülen, bevor du sie Mrs. Stark zurückbringst.«
»Nein, nein«, wehrte Adam ab, nahm ihr die Teller ab und verstaute sie wieder im Korb. »Das sollst du nicht. Ich wollte dir etwas Gutes tun, da musst du nicht auch noch selbst mit Hand anlegen.«
»Danke. Ich habe nämlich noch die Krankenakten zu erledigen.«
»Dann lasse ich dich mal lieber in Ruhe.« Er nahm den Korb, und sie begleitete ihn zur Tür. An der Schwelle drehte er sich noch einmal zu ihr um und ließ den Korb nervös von einer Hand in die andere gleiten. »Jessica, was ich vorhin gesagt habe … ob du vielleicht in Powell Springs bleiben könntest…«
»Ach, Adam, ich glaube nicht …«
Bevor sie den Satz vollenden konnte, hatte er sie mit seiner freien Hand an sich gezogen und ihr einen leidenschaftlichen, nach Rindfleisch und Kaffee schmeckenden Kuss auf die Lippen gedrückt. Seine Zunge suchte die ihre, aber Jessica gab ein ersticktes Geräusch von sich und schaffte es, sich ihm zu
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