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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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starker Verkehr. Straßenschweber rasten vorbei. »Das paßt nicht zu Venedig«, sagte Raiger. Djama sah ihn überrascht an. »Respekt vor der Vergangenheit? So kenne ich dich noch nicht. Aber du hast recht. Es ist nicht mehr das alte Venedig. Noch im zwanzigsten Jahrhundert unternahm man alle Anstrengungen, die Stadt vor dem Versinken zu retten. Aber seitdem der Gibraltarstaudamm den Mittelmeerzufluß drosselt, ist der Wasserspiegel gesunken. Venedig liegt heute auf dem Lande, man hat Mühe, den Wasserstand der Kanäle zu erhalten. Aber was wäre Venedig ohne Kanäle?«
Das zwanzigste Jahrhundert erinnerte Raiger an Vena und an die Kosmos. Seltsam, das alles lag weit hinter ihm, neben ihm aber ging Djama. Tief im Herzen verspürte er plötzlich ein Gefühl, das ihm bisher unbekannt gewesen war, die Angst, er könne diese Frau verlieren. Die Vorstellung, er müsse jetzt ohne Djama durch die Straßen gehen, verursachte ihm körperlichen Schmerz.
»Wann kommst du zurück, Djama?«
»In zwei Monaten.«
»Hältst du das aus, so lange ohne Parga?«
»Ich sehe ihn fast täglich am Bildfernsprecher. Außerdem fahre ich zweimal wöchentlich zu ihm.«
»Könnten wir uns dabei treffen?«
»Parga ist bei meinen Eltern in Paris. Nach hier hast du es näher.«
»Du würdest dich freuen?« – »Ich freue mich schon den ganzen Tag.« Sie drückte seinen Arm. »Fahren wir zum Strandfest am Lido?«
Ihm war es recht. Das hatte er doch gewollt, heiter und ausgelassen sein. Jetzt, glaubte er, müsse es ihm gelingen.
»Dann gehe ich noch einmal in meine Wohnung, mich umziehen.«
Djama wohnte im Gästehaus. Die Fenster zeigten auf einen Kanal hinaus.
»Sieh dich um, ich komme gleich zurück«, sagte sie und wollte ins Nebenzimmer schlüpfen. Er hielt sie fest und zog sie in seinen Arm. Sie erwiderte seinen Kuß selbstvergessen und leidenschaftlich. Er umfaßte ihre Schultern.
»Ich möchte, daß wir zusammenbleiben, Djama, immer – du, Parga und ich!«
Ihr Gesicht verlor den verträumten Ausdruck. Sie verschränkte ihre Hände in seinem Nacken und sah ihn prüfend an. Dann schob sie ihn zum Sessel und setzte sich ihm gegenüber.
»Damals habe ich das gehofft, Raiger.«
Er erschrak. »Heute nicht mehr?«
»Es hat sich manches ereignet.«
»Pargas Vater?« fragte er vorsichtig. »Er ist mit einer Expedition im Raum und kehrt erst zurück, wenn wir nicht mehr leben. Ich liebte ihn, habe mir das Kind gewünscht. Reden wir offen miteinander. Ich bin ein Mensch wie andere und brauche Stunden, in denen ich als Frau nicht allein bin. Aber zusammen leben, Raiger, ist schwerer! Man muß auch die Widrigkeiten gemeinsam tragen können, nicht jede Stunde bringt Sonnenschein. Und dort, wo Schatten ist, muß man sich aufeinander verlassen können. Wenn es zwischen uns so bleibt, wie es ist, haben wir nur die schönen Stunden miteinander, und das Auseinandergehen tut nicht so weh, weil es nicht unvermutet kommt und weil man flieht mit längerer Dauer gerechnet hat.«
Er hatte ihr mit zunehmender Bestürzung zugehört. »Willst du sagen, ich wäre unzuverlässig?«
Djama blickte ihn nachdenklich an. Ihr Gesicht war klar und erschien ihm noch anziehender als sonst.
»Ich habe die Diskussionen am Bildschirm miterlebt. Ich fürchte, Raiger, du könntest mir einmal so gegenübertreten wie Vena Rendhoff. Mich hat das erschüttert, so habe ich dich nicht gesehen. Und dann deine Einstellung zu den Heimkehrern. Mir war es, als sprächest du von Pargas Vater.«
»Ich bin nicht mehr der alte«, versicherte Raiger. Und wieder fielen ihm Nasarow und Maro ein. Wie sehr mußte er sie verletzt haben!
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Du mußt mir Zeit lassen.«
»Ich werde es dir beweisen!« sagte er ernst.
    Romain war wie ein gefällter Baum. Märchenerzähler, rückwärts geflüchtet, seine Genossen im Stich gelassen, was gilt sein Wort…? Das klang in ihm nach und verfolgte ihn bis in seine Wohnung.
    Konnte er zu dem Burschen treten und sagen: »Ich zog nur die Konsequenz aus meinem Irrtum und aus dem Verhalten eines eurer Zeitgenossen«? Verstünde der ihn? Wenn er es nüchtern betrachtete, verstand er sich ja selber nicht! Wäre es nicht richtiger gewesen, von Vena eine Entscheidung zu verlangen? Hier war er wirklich geflüchtet!
    Also gab es nur einen Weg für ihn: in die Siedlung, zurück zu den Genossen – zu Vena…
    Das vermochte er nicht. Er mußte damit rechnen, daß Vena nichts für ihn empfand, und es überstieg seine Kraft, tagtäglich mit ihr

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