Heimkehr der Vorfahren
den Sonnenbahnen. Ihre Schritte hallten in die Stille.
»Ein Versuchsbau!« erläuterte Pala. »Im Jahre zweitausendzwei errichtet und später hierher versetzt. Er ist wirklich eine Kostbarkeit. Diaron war speziell für die Kosmos entwickelt worden, nach ihrem Start wurden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten erprobt. So kam es zu dieser Halle. Man hat übrigens auch bestimmte Maschinenteile aus Diaron hergestellt…-«
»Zahnräder«, fiel ihr Maro ins Wort. »Dort in den Drehautomaten. Es gibt aber auch noch Ersatzräder – na, mach’s kurz, Pala!«
»Ich verhandelte mit dem Leiter des Museums. Wir können aus den Automaten das am stärksten abgenützte Zahnrad ausbauen und mitnehmen.«
Vena fand keine Worte.
Maro umfaßte ihre Schulter. »Jetzt hast du Diaron. Hoffentlich weißt du damit etwas anzufangen?« Er wandte sich an Pala. »Steht am Opernstudio nicht ein physikalisches Institut?«
Vena lachte. »Aber Onkel Maro, Raiger ist doch Physiker. Das macht er selbstverständlich für mich!«
»Raiger?« Maros Stimme klang kalt. »Ausgerechnet ihn willst du das machen lassen?«
»Weshalb nicht?« Sie war verwirrt. Wurde Onkel Maro etwa eifersüchtig?
»Obwohl er das Gutachten schrieb, das deinen Antrag zu Fall brachte?«
Vena erstarrte. Dann warf sie den Kopf zurück. »Wo bekommen wir Werkzeug her?«
VI
Vena hatte mit dem Physikalischen Institut die Bedingungen für die Prüfung des Diarons besprochen. Nach zwei Wochen sollte sie Nachricht erhalten. Ungeduldig wartete sie auf das Ergebnis.
Sie stellte ihren Bildfunksprecher. in den Schrank und schaltete ihn aus. Mit Raiger würde sie reden, wenn das Ergebnis vorlag.
Ihre Gedanken weilten oft bei Raiger, der nicht wußte, wo sie sich aufhielt. Lediglich an dem Reisegepäck, das sie abgestellt hatte, als sie aus Rak 8 kam, mochte er bemerkt haben, daß sie daheim gewesen war.
Pala und Maro probten im Fernsehopernstudio. In ihrer freien Zeit bemühten sie sich, Vena ihrer Mißstimmung zu entreißen. Sie fuhren gemeinsam mit der Einschienenbahn in die umliegenden Erholungszentren, jagten dort mit Luftkissenbooten über Flußläufe und Binnenseen, tummelten sich auf Sportplätzen und in Schwimmbädern, oder sie erkundeten mit einem Wagen die weitere Umgebung.
Und abends besuchten sie ein Theater, eine Konzerthalle oder auch einen der zahlreichen Tanzpaläste. Dann gab es Stunden, in denen Vena heiter und ausgelassen war. Doch des Nachts war sie wieder ihren Gedanken ausgeliefert. Selbst wenn sie das Zimmer gegen das Licht der künstlichen Sonne abdunkelte, floh sie der Schlaf.
Gewiß, Raiger hatte sich nicht richtig verhalten. Wenn er spürte, daß sie ein heikles Thema berühren wollte, war er ausgewichen. Im Grunde genommen war sie aber nicht besser. Es hatte vor ihrer letzten Entscheidung, den Auftrag zurückzugeben, zwischen ihnen nicht ein Gespräch gegeben, das diese Frage berührte. Mehrmals hatte sie sich vorgenommen, Raiger alles zu erzählen, aber es war nie dazu gekommen. Hatten sie sich schon so sehr entfremdet, daß sie Auseinandersetzungen fürchten mußten?
Sie hatte nicht geschwiegen, weil er anderer Meinung gewesen wäre; darüber hätte man streiten können. Er nahm ihre Meinung nicht ernst – dann aber miteinander zu beraten war verletzend. Es machte eine Gemeinsamkeit, wie sie früher bestanden hatte, unmöglich. Unmöglich?
Vena erschrak. Sie trat zum Fenster, öffnete die Vorhänge und blickte hinunter auf die nächtlichen, lichtüberfluteten Promenaden. Die Stadt genoß die kühle Nachtluft.
Ein Mädchen stöckelte vorüber, unternehmungslustig und erwartungsfroh. Ein Herr im gesetzten Alter schlenderte, die Hände auf dem Rücken, stillvergnügt über die Promenade. Die Pärchen schienen in ihm Erinnerungen wachzurufen. Nun kam eine jüngere Dame. Ihre Bewegungen waren gelöst und beschwingt, als habe sie etwas sehr Schönes erlebt.
Vena hielt es nicht länger am Fenster aus. Sie warf sich wieder auf die Polster und starrte die Decke an.
Wenn Raiger ihre Probleme ironisch abwies, wenn er ihr ein Bein stellte – liebte er sie dann? Wer wirklich liebt, bemüht sich doch, die Beweggründe des anderen zu verstehen und zu respektieren, auch wenn er mit seiner Entscheidung nicht einverstanden ist. Sah Raiger in ihr nur die Frau, die er umarmen konnte, war sie nicht mehr für ihn? Sie zergrübelte ihre Müdigkeit. Spät erst fiel sie in kräftezehrenden Halbschlaf.
Mit Maro oder Pala sprach sie nicht über ihren Kummer, erst mußte
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