Heimkehr der Vorfahren
Nasarow etwa? Was für ein Licht fiele auf sie alle! Lebensmüde – wer begriffe das?«
»Ein schwieriges Problem«, sagte Pala beklommen.
»Sandrino verhält sich falsch, er geht auf Staffords Depressionen ein. Ich muß mehr wissen als Sandrino, damit ich Einfluß gewinne, auch auf Sandrino. Also erzähle!«
Pala betrachtete Romeda verstohlen. Die Ärztin besaß Energie wie ein ganzes Atomkraftwerk. »Gut«, sagte Pala und schlug unwillkürlich ein schnelleres Tempo an, als sie ihren Bericht begann.
Romeda hörte schweigend zu.
»Erzähle mir noch einmal, wie sich Stafford verhielt, als er sein Denkmal erkannte«, sagte sie, als Pala geendet hatte.
»Er war empört, aber auch verlegen, vor allem wohl, weil er annahm, daß nicht er, sondern Jansen ein Denkmal verdient hätte.«
»War er mit Jansen befreundet?«
»Er hat ihn insgeheim bewundert. Ich glaube, er hatte während des ganzen Rückfluges nur einen Wunsch – im Sinne Jansens zu handeln. Er war ja sein Nachfolger.«
»Danke, Pala. Jetzt weiß ich, wie ich an ihn herankommen kann.«
»Was hast du vor?« fragte Pala besorgt.
»Schocken – und nicht zu sanft.«
Pala war entsetzt. »Hätte ich dir bloß nichts erzählt! Das bringt ihn um, schlimmer: Das nimmt ihm den letzten Halt.«
»Ich bringe ihn über den Berg, und wenn ich zehn Atomlokomotiven vorspannen müßte!«
Vena verließ das Empfangsgebäude des Flughafens Timbuktu und blickte sich um.
Heute früh hatte sie von Maro erfahren, wo sich George aufhielt. Unverzüglich war sie abgereist, impulsiv, wie sie es selten war. Nun stand sie hier und genoß die Vorfreude. Aber ihr blieb wenig Zeit. Noch heute mußten sie zurückkehren, George und sie, denn morgen wurden die Männer wieder untersucht. Sie wollte unbedingt dabeisein, waren doch medizinische Bedenken geäußert worden, ob die Heimkehrer die ständige Gedächtnisprägung vertrügen. Außerdem sollten sie in persönlichen Gesprächen gefragt werden, welche kosmetische Behandlung sie wünschten. Vena lächelte. In ihrer rauhen Art hatten die Männer dafür ein Wort geprägt: Antiglatzenkampagne. Aber es ging um mehr als um kahle Köpfe. Man wollte die Heimkehrer durch Hormonbehandlung verjüngen und versuchen, ihre Körpergröße dem Normalmaß anzugleichen. Die Biologen hofften, daß man auch ihre Lebenserwartung erhöhen konnte, aber erst mußte man wissen, was der Hormontest ergab, den man morgen vornehmen wollte.
Vena eilte zum Parkplatz, setzte sich in eine der dort stationierten Schwebekabinen und gab dem Steuerautomaten das Ziel an. Ein Griff nach der Fahrtaste, die Kabine hob sich und schoß davon.
Landwirtschaftliche Hochschule – das erfüllte sie mit besonderer Freude. So unsinnig der Grund für sein Verschwinden war, George hatte sich nicht aufgegeben wie Stafford. Er war gegangen, weil er sie liebte, und versuchte selbst dann noch, sich an ihren Plan zu halten, als er sie verlassen hatte.
Parkanlagen flogen vorüber, einzelne Wohnblocks, hinter Palmenhainen verborgene Institute und Krankenhäuser.
Endlich hielt die Kabine vor der Hochschule. Vena ließ das Fahrzeug warten. Sie würde mit George sofort zurückfahren.
Was er wohl sagte, wenn sie ihm auf einmal gegenüberstand?
»Was führt Sie zu mir?« fragte der Rektor verbindlich. »Ich bin Vena Rendhoff, Vorsitzende der Heimkehrerkommission. Ich möchte den Genossen Romain sprechen.«
Erkennen flog über das Gesicht des Rektors. Er verbeugte sich.
»Leider muß ich Sie enttäuschen. Genosse Romain ist vor einigen Tagen abgereist.«
»Wo kann ich ihn finden?« fragte Vena. Sicherlich war George mit einem Auftrag unterwegs.
»Er ist zu seinen Genossen zurückgekehrt«, sagte der Rektor.
»Aber von dort komme ich ja«, rief Vena. »Ich bin doch erst vor zwei Stunden in Europa abgeflogen!«
Romeda Tarsa trat leise ins Krankenzimmer. Am Fenster saß Stafford, unbeweglich wie eine Statue. Romeda betrachtete die reglose Gestalt mit wachsendem Unmut. Mensch sein, hieß das nicht: willensstark sein, dem Leben zugewandt, ständig bemüht, sich geistig und körperlich zu vollenden? Dieser Jammer aber, der dort im Sessel lehnte, war das noch ein Mensch? Mochte Stafford in einer verteufelt schwierigen Lage sein, mochten Tonnen voll Kummer und Mißverständnissen auf ihm lasten – daß er sich nicht mühte, den Rücken steif zu machen, war unbegreiflich.
Versprach ihre Schocktherapie bei diesem Wrack Erfolg? Traf sie den Punkt, an dem er so verwundbar war, daß die Empörung ihn aus der
Weitere Kostenlose Bücher