Heimkehr der Vorfahren
hatte…«
»Was, du hast ihn schon geschockt?« unterbrach Pala erregt. »Wie hat er reagiert?«
»Prächtig, er läßt sich behandeln.« Romeda wandte sich an Sandrino. »Entschuldigen Sie, daß ich mich in Ihre Kompetenz einmischte. Ich konnte das nicht mehr mit ansehen. Menschen ohne Energie sind mir ein Greuel. Es gibt so viele dankbare Aufgaben im Leben, daß es geradezu hirnverbrannt wäre, wegen einer Enttäuschung zu resignieren.«
»Ich ihn enttäuscht?« fragte Pala ungehalten. »Er mich!«
»Und ihr beide uns«, sagte Romeda. »Dieses ›Er ist schuld, nein, sie ist schuld‹, Pala, führt zu nichts. Sucht die Ursache, aber nicht jetzt.«
»Und ich dachte, Sie wären wirklich aufgebracht gewesen, als Sie ihn in die Zange nahmen«, sagte Sandrino.
»War ich auch«, sagte Romeda nachdrücklich. »Sich gehenzulassen ist auch Charaktersache und mir zuwider. Sich selbst aufzugeben ist Lebensverneinung. Man muß mit beiden Füßen auf der Erde stehen! Der Mensch zeichnet sich doch gerade durch seine schöpferische Energie aus.«
Sie beobachtete Sandrino. Der schwieg, wie ihr schien, etwas betreten. Hatte er sie verstanden?
»Wann kann ich zu ihm?« fragte Pala.
»Seine Behandlung beginnt erst.«
»Dann warte ich.«
»Du kannst doch jetzt nicht anfangen, mit ihm zu streiten«, sagte Romeda kopfschüttelnd. Erst hatte Pala Angst, der Schock würde Stafford umbringen, und jetzt wollte sie mit ihm diskutieren! »Am besten, du reist ab. Vertritt mich bei Nasarow, ich habe mich schon seit Wochen nicht mehr um meinen Großvater gekümmert. Aber behandle ihn gut. Auch wenn er manchmal etwas hölzern erscheint, er ist ein feiner Kerl.«
Pala erhob sich.
»Trinken wir noch eine Flasche…« Sandrino stockte und warf Romeda einen prüfenden Blick zu, »eine Flasche alten Wein?«
»Worauf?« fragte sie überrascht. »Auf den Patienten?«
»Auf seine Ärztin!« gab er zurück.
XXII
»Nun bin ich zum zweitenmal enttäuscht worden«, schrieb Vena in das Tagebuch, das sie der Mutter hinterlassen wollte. »Das erstemal durch Raiger. Nicht nur, daß er aus egoistischen Gründen sein Projekt vorzeitig zur Diskussion stellte – er hätte bedenkenlos fremde Arbeit, Material und Energie vergeudet und wäre ohne Notwendigkeit ein Risiko für die ganze Erde eingegangen –, nein, er hat mir aus Rachsucht und aus Verachtung den Heimkehrern gegenüber persönlich schaden wollen. Begreifst Du, wie bitter mir jetzt die Erinnerung an die gemeinsamen Jahre wird? Ihm hatte ich vertraut! Und nun noch George. Daß er ging, muß ich ihm wohl nachsehen, es entsprach der damaligen Auffassung, obwohl er vorher mit mir hätte sprechen können. Aber daß er sich jetzt auch aus Timbuktu fortstahl, er, der das Auseinanderlaufen nie billigte… Kann man sich selber so untreu werden? Oder täuschte ich mich auch in ihm? Ich kann nicht glauben, daß George für sich andere Maßstäbe setzt als für andere, höchstens strengere. Wenn ich nur wüßte, wo er ist. – Ob das alles auch so kompliziert ist, wenn Du zurückkommst? Wenn unsere Erfahrungen Euch doch helfen möchten, daß Ihr es leichter habt als wir…
Gestern fand die Untersuchung statt. Die biokosmetischen Tests sind noch nicht abgeschlossen. Vermutlich wird einiges zu machen sein. Nasarow wird auf jeden Fall seine Haare zurückerhalten und soll an Gewicht ab-, an Körpergröße aber zunehmen. Er wird verblüfft sein über die Wirkung der Verjüngungskur. Aber das klingt fast, als würde ich ihn belächeln, dabei mag ich ihn. Trotz seiner Prinzipienfestigkeit ist er nicht langweilig. Ich habe eher Grund, mich selber zu belächeln. Ich ertappte mich dabei, daß ich mir George verändert vorstellte. Ja, ich veränderte sein Bild mittels der Denkmalerei. Aber ich kam zu keinem Ergebnis. Er gefällt mir am besten so, wie er ist, nur den Mittelscheitel werde ich ihm abgewöhnen müssen. Jetzt lächelst Du bestimmt – ja, ich hoffe noch immer! Es ist gewiß befriedigend, etwas Nützliches zu tun. Aber dieses Bewußtsein füllt nicht den ganzen Menschen aus – man braucht noch mehr.«
Vena hielt inne und überlas, was sie geschrieben hatte. Es wurde wohl nichts Vernünftiges. Doch daß nützliche Tätigkeit allein nicht befriedigen konnte, das stimmte. Man brauchte einen Menschen, dem man innig verbunden war, den man des Nachts neben sich atmen hörte, mit dem man Hoffnungen und Befürchtungen teilte und der zugleich ein Teil der großen Gemeinschaft war, sozusagen ihr intimster
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