Heimkehr der Vorfahren
Das hast du dir selber eingebrockt, nun löffle es aus! Sie vertrug nun einmal kein Abhängigkeitsverhältnis. Einander zugehörig fühlen, ja – aber nicht hörig. Sich um den anderen sorgen, ihm Liebe erweisen, ja – aber nicht ihm dienen, sich ihm bedingungslos unterordnen, seinen Anspruch auf Vorherrschaft akzeptieren.
So war es Rabandro ergangen: Sie hatte ihn geliebt; denn er war ein prächtiger Mensch, gutherzig, klug, einfühlsam, aufrichtig; aber er ordnete sich in allem ihrem Willen unter, gab sich faktisch selber auf. Das vertrug sie nicht, sie suchte echte Partnerschaft, das gleichberechtigte Für- und Miteinander. Sie hatten sich getrennt, noch bevor sie zusammen lebten. Beherrschenwollen verstieß gegen die Würde des anderen, Beherrschenlassen gegen die eigene.
Das Kind? Sie hatte es sich gewünscht, ja, von ihm, und es war zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden, auch wenn sie es nicht täglich sah.
War Rabandro der einzige Mann gewesen? Natürlich nicht, aber sie brauchte keine Stunde zu bereuen. Sie hatte immer tief empfunden, sich nie leichtfertig einem Augenblick ergeben. Jedes Erlebnis hatte sie bereichert. Doch dann kam dieser Besitzjäger, und alles war anders. Es war, als schleppte er seine versunkene Welt mit sich, und wer da hineingeriet, mußte ihr Tribut zollen. Was alles hatte sie diesem Mann gegenüber gefühlt: Zuneigung, gewiß, aber auch Barmherzigkeit, Neugier und die Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen. Sie hatte sich hinreißen lassen…
Und heute? Sie wußte nicht, ob sie noch immer an Staffords Jahrhundert gekettet war, aber daß James zu zerbrechen schien, rührte sie an. Wer sich den Partner unterwerfen will, kann nicht lieben; das war bisher ihre feste Überzeugung. Aber wem die Trennung so nahegeht, der kann nicht nur flüchtig verliebt gewesen sein. Gekränktes Selbstbewußtsein, Eitelkeit und vieles andere mochten eine gewisse Rolle spielen, aber sie führten nicht zu solch einem Zusammenbruch. Also doch Liebe, echte Liebe?
Sie ließ sich auf einen Stein nieder und sah sich um, als könnten ihr die Felsen Antwort geben.
Ein Schatten fiel auf sie. Pala schrak auf. Romeda Tarsa!
»Hast du mich erschreckt!«
»Ich sah dich vorhin hier heraufkraxeln, und nach der Visite bin ich gefolgt. Aber du warst so sehr mit dir selbst beschäftigt, daß du mich nicht bemerkt hast.«
»Wie geht es Stafford?«
Die Ärztin setzte sich zu ihr. »Nicht besonders, Pala. Wollte er gesund werden, er wäre es längst. Doch er ist apathisch, es ist zum Weinen. Dabei könnten wir ihm helfen, binnen weniger Tage. Er aber ißt nicht einmal unsere Diät. Schon das brächte uns weiter.«
»Hat er nach mir gefragt?«
»Er weigert sich, dich zu sehen, dieser Querkopf.«
»Meine Schuld, Romeda. Ich mußte voraussehen, daß er alles in Besitz nimmt, sich als Herr…«
»Papperlapapp!« unterbrach Romeda resolut. »Weiche dich nicht selber auf, sonst lege ich dich gleich dazu. Aber dir nützt kein Protest, dich bringe ich elektronisch in Schwung.«
»Bring lieber Stafford in Schwung!« sagte Pala und stand auf.
Romeda erhob sich ebenfalls. »Deshalb bin ich hier. Ich muß wissen, was zwischen euch geschah.«
»Ich erzählte es Vena, hat sie dich nicht unterrichtet?« »Das genügt nicht, ich muß alles wissen.«
»Es gibt Dinge, über die man nicht…«
»Ich bin Ärztin mit Schweigepflicht und will keine Tragödie darüber schreiben, sondern Stafford helfen. Aber seine Psyche ist mir nicht vertraut, zwischen uns liegen Jahrhunderte, da kommt es auf jede Einzelheit an.«
»Sandrino kennt Staffords Gedankenwelt besser. Er weiß doch, wie man damals dachte und reagierte«, erwiderte Pala, in der vagen Hoffnung, Romedas Forderung ausweichen zu können.
»Sandrino…«, sagte Romeda gedehnt. »Der braucht selber Hilfe. Er ist müde und gibt Stafford ein schlechtes Beispiel, von ihm geht nichts Ermunterndes aus.«
»Und dann läßt du die beiden zusammen?«
»Das ist es ja. Ich kann Sandrino nicht seinen Patienten nehmen. Stafford ist die Aufgabe, die ihn hält. Ich muß Sandrino die Überzeugung verschaffen, daß er gebraucht wird. Und ich muß versuchen, indem ich den Patienten heile, auch seinem Arzt zu helfen. Deshalb kann ich nicht ewig warten, Stafford muß schnellstens von seiner Depression befreit werden.«
»Wenn er aber nicht will?«
»Kann ich mich danach richten? Soll ich vor die medizinische Kontrollkommission hintreten und sagen: ›Er wollte nicht!‹ Kann ich das den anderen Heimkehrern antun,
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