Heimkehr in den Palast der Liebe
der doch nur selten von tieferen Gefühlen gegenüber anderen Menschen ergriffen wurde, ein tiefes Gefühl von Verbundenheit mit Shakira empfand, war es dann so erstaunlich, dass es ihr ebenso erging?
"Warum?" rief sie noch einmal.
Er zögerte. Man hatte beschlossen, ihr nichts zu sagen, aber jetzt – was sollte er tun?
"Ich muss gehen, Prinzessin", sagte er schließlich. "Der Sultan hat mich mit einer Aufgabe betraut …"
"Sag einfach Nein! Warum unbedingt du?"
"Prinzessin, wenn der Sultan etwas fordert, dann heißt es gehorchen", erwiderte er unbeholfen.
"Du darfst nicht gehen!" rief sie zornig. Sich verletzt zu zeigen oder gar zu flehen wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen.
Sharif presste die Lippen aufeinander. Verflixt, es hätte viele Möglichkeiten gegeben, mit diesem Problem geschickter umzugehen.
"Du bist bei deiner Familie, Shakira. Du wirst mich jetzt nicht mehr so vermissen."
"Bleib", begann sie, aber dann richtete sie plötzlich ihren Schutzwall wieder auf. Ihn vermissen? Weshalb sollte sie ihn vermissen? Sie hatte ihre Familie, und überhaupt … Sie vermisste niemanden. Sie kam allein zurecht. Das hatte sie immer getan.
Es versetzte ihm einen Stich, als er an ihrem Gesicht ablas, wie sie sich innerlich verschloss. Ihre Augen wurden ausdruckslos. Sie hob die mageren Schultern und vergaß, sie wieder fallen zu lassen.
"Ist mir doch egal." Ihre Stimme klang plötzlich stumpf und gleichgültig. "Ich brauche dich nicht. Ich habe ja jetzt meine Familie", erklärte sie, als ob nicht er gerade dasselbe gesagt hätte.
"Shakira, wir wollten dir eigentlich nicht sagen, weshalb ich fortmuss, aber glaube, es ist besser, wenn ich es dir erzähle. Der Sultan …"
"Es ist mir egal!" Und es stimmte. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, hatte sie sich ganz instinktiv gegen den Schmerz des Verlustes abgeschirmt. "Außerdem kommt heute meine Großmutter zu Besuch", fügte sie triumphierend hinzu. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, das Glück darüber mit ihm zu teilen.
Am liebsten hätte er diese Mauer, mit der sie sich umgab, eingerissen, aber er gab diesem Gefühl nicht nach. Er musste gehen, und sie würde ihm das verzeihen, wenn sie erst einmal den Grund dafür erfahren hätte. Jetzt war es erst einmal besser, wenn sie noch nichts darüber wusste.
Und im Übrigen hatte sie ja tatsächlich ihre Familie.
"Ah", sagte er und lächelte. "Du wirst also heute die große Suhaila kennen lernen? Das ist wundervoll."
"Ja!" rief sie, noch immer erbost. "Sie ist eine berühmte Sängerin, Sharif. Du siehst also, mir kann es egal sein, wenn du nicht da bist."
Sie warf etwas zu Boden, drehte sich um und rannte zurück. Unter ihrem Balkon blieb sie stehen, sprang ab und hielt sich mit Händen und Füßen an den steinernen Arabesken fest. Im Nu hatte sie genug Halt gefunden, um nach oben zu klettern. Ohne einen Blick zurück kletterte sie über die Brüstung und war verschwunden.
Sharif bückte sich und hob die zu Boden geworfene Blüte auf. Nun, da sie zerdrückt war, verströmte sie einen besonders starken, bittersüßen Duft.
8. Kapitel
Suhaila war eine zierliche, lebhafte alte Dame, in herrlichste Seide gekleidet und mit Juwelen behängt. Ihre langen Zöpfe schimmerten blauschwarz, und in ihren schwarzen Augen spiegelte sich eine eigenwillige Mischung aus Pfiffigkeit, Weisheit, Humor und Herausforderung.
"Ah, du bist wie ich", sagte sie zu Shakira. "Die Augen allerdings – die hast du von Safa. Aber du bist klein und zierlich wie ich, und du hast kaum Oberweite. Und dein Kinn …", sie strich ihrer Enkelin über die Wange, "… das hast du von mir. Deine Figur wird sich entwickeln, wenn du erst einmal zu Kräften gekommen bist, aber du wirst immer eine zierliche Frau sein. Und eine kämpferische, das sieht man dir schon am Gesicht an. Ich war auch so. Pass nur auf, mein Kind, denn das ist nicht immer der beste Weg. Wie alt bist du?"
"Ich … einundzwanzig, glaube ich." Ihre Geburtsurkunde war längst verloren gegangen, aber sie hatte die statistischen Daten über sich selbst aus den Unterlagen des Sultans erfahren.
"Es war dumm von Mahlouf, damals zurück nach Bagestan zu gehen", sagte die alte Dame. "Ich hatte ihn gewarnt, aber wenn es eine Methode gibt, junge Männer davon abzuhalten, Dummheiten zu begehen, dann habe ich sie nie begriffen. Selbst wenn er nicht Prinz Safas Sohn gewesen wäre, allein die Tatsache, dass seine Mutter im Ausland lebte und Platten mit Liedern der
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