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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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Junge im Flüchtlingslager war ihr Haar niemals so kurz gewesen.
    "Das Haar ist viel zu angegriffen, da ist nichts mehr zu machen. Das muss alles ab", hatte Noors Friseur gefordert. Anfangs hatte sie dadurch noch verhärmter gewirkt, doch mittlerweile hatte sie schon ein wenig Fleisch auf den Knochen. Und ihre Haut schimmerte und duftete vom regelmäßigen Gebrauch duftender Cremes und Lotionen. Dass es so etwas gab! Duftende Cremes. Man hatte sie gefragt, welche sie am liebsten mochte, und sie hatte sich für die rosafarbene entschieden, die nach Rosen duftete. Jetzt duftete sie wie die Erinnerung an ihre Mutter.
    Und Tag für Tag trug sie frische, saubere Kleidung. Was für ein Wunder, diese Schränke und Regale voller neuer, sauberer Kleidungsstücke. Und eine Zofe präsentierte ihr jeden Tag mehrere edle Kleidungsstücke, damit sie eines daraus wählen sollte. Meistens entschied sie sich für ein weißes, denn sie konnte gar nicht genug von der symbolhaften Reinheit dieser Farbe bekommen. Selbst ihre Sandalen waren weiß und vom feinsten Leder, das sie je berührt hatte. Auch das Nachtgewand, das sie jetzt trug, war weiß.
    Sharif hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er sie das erste Mal mit dem fast kahlen Kopf sah. Er hatte sie genauso angesehen wie immer – so als ob er immer schon ihre inneren Werte wahrgenommen und auf die äußere Fassade nicht weiter geachtet hätte.
    Sie bewegte ihren fast völlig geheilten Knöchel. Dabei musste sie an ihre erste Begegnung auf der Landstraße denken. Sharif war ihr so unglaublich überlegen erschienen und dabei so edel. Er hatte sie gegen diesen Lastwagenfahrer verteidigt und damit eine Sehnsucht in ihr ausgelöst, die sie nicht verstand. Vielleicht die Sehnsucht, jemandem vertrauen zu können? Diese Sehnsucht hatte sie schwach gemacht, und das war gefährlich.
    Aber dann hatte sie ihm schließlich doch vertraut. Und jetzt war ihr Leben …
    "Prinzessin!"
    Es war nur ein Flüstern, doch sie hörte es. Sie beugte sich vor und blickte sich suchend um.
    "Hier unten!"
    Im Halbdunkel war die Gestalt im Innenhof nur schemenhaft zu erkennen, doch sie hätte ihn erkannt, auch ohne seine Stimme zu hören.
    "Sharif!"
    "Guten Morgen", rief er leise. "Hast du gut geschlafen?"
    "Ja. Der Muezzin hat mich aufgeweckt. Was machst du denn dort unten? Moment!"
    Sie sprang auf die Brüstung, und im Nu war sie, geschickt und ein wenig wie ein kleines Äffchen, zu ihm hinuntergeklettert.
    "Zum Teufel auch", sagte er und konnte nur noch hilflos zusehen, bis sie schließlich neben ihm stand, barfuß und im Pyjama.
    "Guten Morgen, Hani", sagte er trocken, und sie legte den Kopf zurück und lachte ihr Lausbubenlachen, weil er so genau wusste, wann er sie Hani zu nennen hatte und wann Prinzessin.
    "Es ist schön, so früh am Morgen durch den Garten zu gehen", stellte sie fest, als sie der Spur des Gärtners folgten. Die Bodenfliesen fühlten sich noch kühl an, doch der leichte Wind war warm und ließ schon die Hitze erahnen, die der Tag noch bringen würde. Shakira bückte sich und hob eine herabgefallene Blüte auf. Sie war immer noch frisch.
    Shakira strich damit über ihre Wange. Wie herrlich zart und seidig sie sich anfühlte, und wie sie duftete.
    "Riech nur", befahl sie leise, und er beugte sich vor. Nur die Rosenblüte trennte seine Lippen von ihrer Handfläche. Es war wie ein Kuss.
    Als er sich wieder aufrichtete, hätte weder er noch sie sagen können, ob nur ein Augenblick vergangen war oder ein ganzes Leben.
    "Prinzessin, ich bin gekommen, um mich zu verabschieden", begann Sharif.
    Er sah, dass sie wie vom Blitz getroffen war, und verfluchte sich selbst für seine Ungeschicktheit. Die Bedeutung von Worten wog so viel schwerer für diese junge Frau, als er es gewohnt war. Wann würde er das endlich lernen?
    Die großen, immer noch dunkel umschatteten Augen starrten ihn ungläubig an.
    "Verabschieden? Du gehst fort?" rief sie. Und, auch wenn sie es nicht aussprach, wusste er, dass sie meinte "fort von mir".
    "Nur für ein oder zwei Wochen, voraussichtlich", fügte er rasch hinzu. "Aber es könnte auch länger dauern. Ich kann es nicht genau sagen."
    Sie schien kaum zu hören, was er sagte. "Warum?"
    Hätte er das nicht wissen müssen? Warum nur hatte er seinen Einfluss auf ihr Leben so sträflich unterschätzt? Er dachte daran, wie sie damals das Wort 'Familie' ausgesprochen hatte. Jetzt war sie umgeben von ihren Verwandten, und doch …
    Er hätte es wissen müssen. Wenn er,
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