Heimkehr in den Palast der Liebe
mehr so aussieht, wie du es in Erinnerung hast", warnte Sharif sie, als er den Wagen durch das kleine Dorf lenkte. Er war auf der Suche nach Shakiras Bruder bereits hier gewesen. "Auch das Haus hat sicher gelitten."
Vielleicht hatte sie diesen Besuch deshalb so lange vor sich hergeschoben. Doch solange ihr Bruder nicht gefunden wurde – und das erschien von Tag zu Tag unwahrscheinlicher –, gehörte das Haus ihr, und sie würde irgendwann entscheiden müssen, was damit geschehen sollte.
Kurz darauf standen sie vor einer verwitterten Tür. Nichts erschien ihr vertraut.
"Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?" fragte sie.
"Kein Wunder, dass es dir fremd vorkommt", erwiderte er. "Du warst damals erst sechs Jahre alt."
Die Tür war verschlossen, doch Sharif hatte daran gedacht, einen Dietrich mitzunehmen. "Als ich vor kurzem hier war, sagten mir die Leute aus dem Dorf, dass einer von Ghasibs Generälen hier gewohnt hat, bis er in Ungnade fiel und eingesperrt oder hingerichtet wurde. Die Familie ist wohl geflohen, und seitdem steht das Haus leer. Niemand hat es gewagt, ihm auch nur nahe zu kommen."
Er drückte auf die Klingel. "Aber sicher ist sicher."
Es war kein Geräusch zu hören, weder ein Klingeln noch Schritte. Schließlich entriegelte Sharif das Türschloss.
Zögernd trat Shakira ein.
Sie wusste selbst nicht, warum, aber als Erstes blickte sie nach oben. Eine Glaskuppel befand sich direkt über ihr. Das zarte Muster in dem blauen Glas war kaum zu erkennen, so viel Schmutz und welke Blätter hatten sich von außen darauf angesammelt.
"Oh ja, es ist das richtige Haus!" flüsterte sie, denn sie hatte viele Male hier gestanden und den Kopf in den Nacken gelegt, um diese Glaskuppel zu bewundern.
Sie gingen durch den Korridor und betraten kurz darauf den Innenhof. Es war ein trostloser Anblick: Stinkende Pfützen, herabgefallene Steine, ein verblasstes Mosaik, zerbrochene Bodenfliesen und das Ganze bedeckt von einer dicken Schicht welker Blätter und Abfall. Die Bäume, die einst wohltuenden Schatten gespendet hatten, streckten ihre ausgedörrten, blattlosen Äste zum Himmel.
Die Fenster und Türen des Hauses, alle bogenförmig und nach oben spitz zulaufend, waren aus Buntglas mit herrlichen Mustern, aber auch sehr verwittert.
Der Geist der Vergangenheit war überwältigend stark.
Lange Zeit blieb Shakira einfach stehen und schwieg.
Schließlich streckte Sharif die Hand aus, und sie hielt sich dankbar daran fest.
"Es ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht", stellte er mit einem Blick auf das Dach und die Hauswände fest. "Die Substanz ist noch gut erhalten, und mit den richtigen Handwerkern kann es sicher vollständig restauriert werden."
"Ich bin so froh, dass du bei mir bist", sagte sie leise.
Seine Augen schauten noch intensiver, und einen Moment lang sah es so aus, als wolle er etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders.
Sie gingen wieder ins Haus und betraten ein Zimmer nach dem anderen. All die wunderschönen Wandmalereien waren im Begriff abzublättern. Fenster und Türen waren lange Zeit den Elementen überlassen worden, und die Möbel waren teilweise zerbrochen oder durch Feuchtigkeit beschädigt. Und doch …
"Es ist ein sehr schönes Haus", murmelte Sharif, als sie vor einem der großflächigen Fenster zum Innenhof standen. "Kein Wunder, dass du es niemals vergessen hast."
"Wo nur mein Bruder ist?" sagte sie traurig. "Wenn wir ihn doch finden könnten."
Sharif hatte keine Antwort darauf.
Plötzlich erinnerte sie sich an etwas. Sie drehte sich um und ging durch die vielen Zimmer, bis sie schließlich vor einer geschlossenen Tür stehen blieb. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Hand auf die Klinke legte.
Da stand er, der massive Schreibtisch ihres Vaters. Er sah jetzt nur ein wenig anders aus, weil sie größer war als damals. Bismillah aarahman arraheem. Ihr war, als hörte sie sein gemurmeltes Gebet.
"Man antom?" brummte jemand in dem Dialekt des Dorfes. "Wer sind Sie?"
Shakira zuckte zusammen und wirbelte herum. Hinter ihr stand ein alter, gebeugter Mann in der Tür. Er war stämmig gebaut, doch sein Gesicht wirkte abgezehrt. Er hatte dichtes graues Haar, dunkle Augen und einen breiten Mund.
"Die Besitzerin des Hauses ist da, um es zu besichtigen", erklärte Sharif bestimmt. "Wer sind Sie?"
"Besitzerin? Besitzerin? Alle sind tot", sagte der Alte.
Plötzlich erinnerte Shakira sich wieder. Die Stimme, das Gesicht … "Mr. Gulab!" rief sie.
Zögernd trat
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