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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Soldaten und Kriegsgefangene, die sich mit ihnen um die verschütteten und verstörten Menschen bemühten, wurden aus mobilen Küchen verpflegt. Wie in Trance standen die, die ihre Verwandten, Freunde und Nachbarn suchten, vor ausgebrannten und eingestürzten Häusern.
    Neben den rauchenden Trümmern nahmen die Nazis den Menschen, die ihr Schicksal nicht fassen konnten, ein Treuegelöbnis auf Hitler ab. Um Moral und Stimmung zu heben, ließen sie neben Särgen einen Spielmannszug aufmarschieren. Gauleiter Jakob Sprenger erklärte Frankfurt zur Frontstadt. Plakate mit dem Text »Frontstadt Frankfurt wird gehalten« wurden eiligst an die Mauerreste von zerstörten Häusern geklebt. Auf den Plakaten standen Mann, Frau und Kind kampfbereit mit der Hakenkreuzfahne in der Hand vor einem unversehrt gebliebenen Dom, der in Wirklichkeit bis ins Mark getroffen war.
    »Was ist denn eine Frontstadt?«, wollte Fanny wissen.
    »In einer Frontstadt muss man erst das Gras anpflanzen, in das man beißen will«, sagte Hans.
    »Ist das ein Witz?«
    »Wie soll man heutzutage wissen, was ein Witz ist, Fanny? Da braucht es klügere Leute als einen Drucker mit einem Bein.«
    »Du denkst doch nicht mit den Beinen.«
    Fannys Vater, von dem weder sie noch Hans und Anna wussten, ob er noch lebte und wenn ja, ob in einem holländischen Versteck oder in einem deutschen Konzentrationslager, hätte sich bei diesem Gespräch gewiss erinnert, dass seine Tochter schon als Dreijährige sehr wortklauberisch gewesen war.
    Als wäre dies eine Selbstverständlichkeit für ein jüdisches Mädchen im Jahr 1944, spazierte Fanny am ersten Montag des Aprils mit Hans durch die Stadt der zu Stein gewordenen Gespenster. Sie spürten die Sonne auf der Haut und, wenn sie zu sorglos wurden, einen Hauch von Wärme im Herzen. Zwischen zwei Trümmerbergen, die einst vierstöckige Häuser gewesen waren und in denen Menschen gelebt hatten, die goldumrandete Sammeltassen ins Büfett stellten und Bilder vom deutschen Wald an die Wand hingen, trotzten Grasstauden dem großen Sterben. Auf ihnen wuchsen Gänseblümchen mit unschuldsweißen Köpfen. Fanny bückte sich über eine Blume, doch sie nahm ihr nicht das Leben. Der Mann des Muts und das Kind, das zu weinen verlernt hatte, waren ohne Furcht. Beide erinnerten sich gar an so wunderliche Worte wie Glück und Hoffnung.
    Vor einem Haus, von dem noch zwei Außenmauern standen, blieb Fanny stehen. Sie knetete ihre Hände ineinander und sagte schließlich: »Ich kann nicht an die Menschen denken, die hier gelebt haben. Ich versuche schon den ganzen Morgen, nicht so zu sein, wie ich bin, aber es klappt nicht. Ich schäme mich so.«
    »Mir geht’s genauso mit dem Mitleid«, erwiderte Hans. Er drückte ihre Hand und wünschte sich, seine Tochter würde so werden wie Fanny. »Aber ich schäme mich nicht. In Dachau habe ich das Schämen verlernt.«
    »Ich war doch gar nicht in Dachau.«
    »Du hast Schlimmeres erlebt, mein Kind.«
    Sie gerieten, ohne dass es Hans gewollt hatte, in die Biebergasse. Er schalt sich einen gefühllosen Narren, als er sich erinnerte, doch Fanny wusste nicht mehr, dass ihr Vater dort die Anwaltskanzlei gehabt hatte, die er im Jahr 1934 hatte aufgeben müssen. Das Haus hatte einen Volltreffer abbekommen, es war nur noch ein Trümmerhaufen. Im heil gebliebenen Nachbarhaus hatten nur die Fenster Schaden genommen. Sie waren mit Militärdecken und Verdunkelungspapier wieder benutzbar gemacht worden. Im Parterre ließ ein Friseur mit einem Pappschild und zwei Schreibfehlern wissen: »Was auch pasiert, es wird weiter rassiert.«
    Die Mauern der zerstörten Häuser boten vielfach Platz für solche Durchhalteparolen. »Wir trotzen dem Terror«, »Lieber tot als Sklave«, »Führer befiehl, wir folgen Dir«, »Jetzt erst recht« und das altbekannte »Räder müssen rollen für den Sieg« waren am häufigsten zu lesen. In einigen zerbombten Wohnungen standen noch Innenwände. Kabel hingen von den Decken und führten ins Nirgendwo. In einem zerbombten Haus auf der Lange Straße lag eine Kloschüssel, die augenscheinlich unmittelbar vor dem Angriff geputzt worden war. In der Wittelsbacherallee inmitten eines Trümmerberges lag ein verkohltes Kinderbett, daneben auf dem Boden eine angesengte Puppe mit langen blonden Zöpfen. An eine der beiden noch stehenden Mauern hatte jemand in steiler Sütterlinschrift und mit weißer Kreide geschrieben: »Familie Meyer lebt. Wir sind bei Tante Anni in Karben.«
    »Deutschland hat

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