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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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der bestickte Seidenmantel über der wohlgeformten Brust, wieder dufteten ihre Hände nach der Rosenseife aus dem PX. Ab da lief das Stück jedoch völlig anders ab als zur Premiere. In der Wiederholungsvorstellung beschäftigte Fritz in erster Linie der Umstand, dass er als deutscher Beamter in Frankfurt nicht würde im PX einkaufen können. Auch gab es nicht mehr das Orchester, das die Ouvertüre zur »Zauberflöte« spielte, und schon gar nicht verlangte es ihn nach der Königin der Nacht. Als Adelheid bewusst wurde, dass bei ihr Wunsch, Traum und Wirklichkeit durcheinandergeraten waren, wurde sie verlegen. Sie deutete ein Kopfschütteln an und meinte, sie hätte ein Fenster rütteln hören.
    »Es war nur der Wind«, ging Fritz auf sie ein.
    »Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«, versuchte sie zu scherzen. Er aber hatte die deutschen Märchen zu gründlich aus seinem Gedächtnis gelöscht, um weiter mithalten zu können. Sie blies die Kerze aus und nahm sich vor, bis es wieder Kerzen in den Läden zu kaufen gab, die Kommunionskerze für feierliche Familienanlässe zu schonen.
    Die Zeit, die Fritz in Nürnberg blieb, konnte er umso besser nutzen, weil ihn weder Abschiedstrauer noch die Unruhe des Aufbruchs belasteten. Mit Washi, dem pfiffigen Meister der Improvisation, kaufte »Frizzie« zum letzten Mal im Paradies der Sieger ein – Kaffee, Butter, Corned Beef, Zucker und Mehl, Seife, Waschpulver, Stoffe, Nähgarn und Strickwolle. Er packte Blusen und Kleider für Fanny, Anna und Betsy ein, zwei Oberhemden und einen Pullover für Hans, Schuhe, Spielzeug für die Kinder und drei große Ostereier mit grinsenden Hasen, die so hässlich waren, dass er sich genierte. »Geschmack muss man lernen«, hörte er Vicky sagen, und zu seinem Kummer hörte er sich erwidern: »Nicht nur Geschmack, meine Liebe. Sich nicht für den Nabel der Welt zu halten ist auch erlernbar.«
    Für sich kaufte er so viel Schreibpapier und Briefumschläge, dass die Kassiererin misstrauisch wurde und ihren Vorgesetzten rief, dazu Büroklammern, Locher, Leim und eine Papierschere. Washi wurde mit dem ersten Füllfederhalter seines Lebens und einem Notizbuch in rotem Leder beschenkt und nach Frankfurt eingeladen. »Wann immer du kommst, kommt ein Freund«, sagte Fritz.
    »Der Freund von einem lebendigen Richter!«, lachte Washi. »Das glaubt mir zu Hause noch nicht mal der Hund.«
    Er trug »Frizzie« mit Namen und Adresse in sein neues Notizbuch ein und versprach, ihn mit seinem Koffer und den vielen Geschenken nach Frankfurt zu fahren. »Ich habe für alle Fälle die Donuts und Erdnussbutter für deine Kinder schon gekauft«, sagte er. »Und meiner neuen Veronika zwei Paar Nylons, Nagellack und einen Satz Lockenwickler, damit sie wie ein richtiges Fräulein aussehen kann.«
    »Was ist denn mit der alten Veronika passiert?«
    »Sie hat einen Offizier gefunden.«
    Frau von Hochfeld wurde nicht nach Frankfurt eingeladen, doch hatte Fritz das Bedürfnis, ihrem Schmerz wenigstens auf die zeitgemäße Art den Stachel zu nehmen. Er kaufte ihr Bohnenkaffee, Butter, eine Stange Chesterfield, damit sie sich weitere Wünsche erfüllen konnte, und ein Fläschchen »Chanel Nr. 5«, das ihr Tränen in die Augen trieb. In dem Abschiedspaket waren auch die Rosenseife, die sie mit einem zärtlichen Ausdruck an ihr Gesicht hielt, und ein feuerroter Lippenstift. Die Vorstellung, die angesehene Witwe des Generalmajors von Hochfeld, die zu Lebzeiten ihres Mannes die Nazi-Forderung »Die deutsche Frau schminkt sich nicht« treulich befolgt hatte, würde sich je mit feuerrot geschminkten Lippen auf die Straße trauen, rührte sie sehr. »Schade«, war ihr Abschiedswort.
    Da saß Fritz schon im Jeep. Er sah weder, dass sie sehr blass geworden war noch dass sie ihre Augen bereits auf der Straße trocken reiben musste. Washi hatte nämlich nach den zwei großen Paketen Matze gefragt, die Fritz im PX gekauft hatte, und er musste seinen gesamten englischen Wortschatz bemühen, um Washi zu erklären, weshalb die Juden auf der Flucht von Ägypten nicht mehr die Zeit gehabt hatten, ordentliches Brot zu backen. »Die Hefe ist nicht aufgegangen. Wir denken jedes Jahr daran. Immer zu Pessach.
    Ihr nennt es Passah. Das fällt mit Ostern zusammen.«
    Als sie in Würzburg den Main auf einer notdürftig wiederhergestellten Brücke überquerten, kam Washi auf das Thema zurück. »Ich habe in der Sonntagsschule gelernt, dass der Todesengel die Juden immer verschont«, erinnerte er

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