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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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meinem Zelte schlief das Mädchen! Du Natternzunge!« rief Tschotanka aufgebracht.
    Stein mit Hörnern sah nach der Schwester. Sie schien gefaßt, vollkommen ruhig, ganz anders als bei ihrer nächtlichen Begegnung mit dem Bruder.
    Schonka holte einen weiteren Krieger herbei und nannte dessen Namen. »Das ist Blutiger Tomahawk ! Er mag sagen, was er gesehen hat.«
    »Tschotanka!« fing dieser Krieger bedächtig an. Seine Nase war sehr stark, seine Stirn niedrig. Er gehörte nicht zu der Bärenbande, sondern zu einer anderen Abteilung der Dakota. »Tschotanka, meine Augen haben gesehen, daß Uinonah sich in der Nacht vor Beginn unseres Festes aus deinem Zelte schlich, in die Prärie hinauslief und lange fortblieb. Endlich kam sie zurück und huschte wieder in dein Zelt.«
    »Das ist nicht wahr«, erwiderte Tschotanka sofort. »Uinonah?!«
    Das Mädchen zögerte keinen Augenblick. »Es ist wahr.«
    Tschotanka fuhr auf. »Wo bist du gewesen?«
    Das Mädchen schwieg. Die Zuhörer sahen einander wortlos an. Den meisten jungen Mädchen tat Uinonah leid. Sie fühlten mit ihr. Wer mochte es sein, mit dem sie sich heimlich getroffen hatte? Wen liebte sie? Die Mütter und Großmütter dachten härter. Ihre Mienen wurden verächtlich und erheischten Auskunft.
    Tschotanka stieg die Röte des Zornes und der Enttäuschung ins Gesicht. Blutiger Tomahawk schien befriedigt von der Wirkung seiner Worte. Schonka grinste hämisch. Die Tochter des Verbannten war vor den Häuptlingen, vor den Kriegern und vor den Frauen dreier Stämme bloßgestellt. Ihr schönes Festgewand nützte ihr nichts mehr, nichts nützte ihr mehr die Heilkunde. Noch einen Augenblick, und Tschotanka selbst würde ihr befehlen müssen, den Kreis der Mädchen mit Schande zu verlassen.
    Uinonah schwieg.
    Aber Stein mit Hörnern trat vor, in die Mitte des Kreises, wo ihn jedermann sehen konnte. »Meine Schwester Uinonah und ich haben uns in der Nacht vor Beginn des Festes getroffen.«
    Es ging eine Bewegung durch die Reihen der Zuhörer wie ein Windstoß. Dann war es ganz still. Uinonah hatte nur die Hand ein wenig gerührt.
    »Oh!« Schonka fand die Sprache wieder. »Du bist Harka, heute genannt Stein mit Hörnern? Ich verstehe, daß du deine Schwester rechtfertigen möchtest. Aber kannst du nachweisen, daß du in jener Nacht in der Prärie warst?«
    Stein mit Hörnern stand sehr entfernt von dem Sprecher. Er ging jetzt langsam auf ihn zu und blieb etwa fünf Schritte vor ihm stehen. »Näher will ich dir nicht kommen, denn du stinkst«, sagte er nicht laut, aber so deutlich, daß alle ihn verstehen mußten, und auch er begleitete seine Worte mit den Gesten der Zeichensprache. »Einen prächtigen Häuptlingsrock hast du dir sticken lassen. Vielleicht hast du sehr große Taten vollbracht! Wenn du also ein Krieger geworden sein solltest, Schonkawakon, mit dem zu sprechen möglich ist, werde ich dir nachweisen, wo ich in der Nacht vor Beginn unseres Festes war. Aber zuerst sage mir, wo sind die Skalpe der Feinde, die du selbst getötet hast?«
    »Wir sind beim Tanz der Jungfrauen und nicht beim Wettbewerb der Krieger!«
    »Jetzt hat der Tanz zwischen uns begonnen, Schonka, du Hund mit der geifernden Schnauze, Wakon, du Geheimnis der Lüge! Zeige uns die Skalpe und die Bärenklauen, die du erbeutet hast! Zum Fest wirst du sie doch mitgebracht haben?«
    Die Mädchen im Kreise, die Zuhörer rings lauschten gepackt dem Streitgespräch. Das Wort mußte ein Krieger handhaben können wie die Waffe.
    »Ich habe vierundzwanzig Sommer gesehen …« Schonka sagte es und stockte; er war nie gewandt oder geistesgegenwärtig gewesen, und eben daher stammte sein Haß auf den stets schnelleren Harka.
    »Vierundzwanzig Sommer hast du gesehen, aber noch nie einen von dir getöteten Feind. Ich werde dir morgen meine Leggings schicken, damit du die Skalpe an den Nähten zählen kannst. Vielleicht kann Blutiger Tomahawk dir beim Zählen helfen. Aber was dich betrifft, so sehe ich, du bist friedlich gesonnen und tötest nicht gern Krieger mit dem Messer. Du kämpfst lieber mit Lügen gegen Mädchen. Hüte dich; auch das ist gefährlich! Mädchen haben Brüder und Väter, das bemerkst du zu spät.«
    »Was sollen deine Drohungen! Sag die Wahrheit, du …«
    »Halt! Ich lese deine Gedanken, Schonka. Sprich auf dem Festplatz kein Wort, auf das mein Messer die Antwort ist. Wir dürfen hier kein Blut vergießen. Ein Wettkampf zwischen uns wäre besser. Aber was soll ich dir anbieten? Du tust mir

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