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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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leid. Früher, als wir noch Knaben waren, hattest du einen annehmbaren Mustang, und wenn du auch nach meinem Pferd geschlagen hast, um mich zum Sturz zu bringen, so bist du immerhin schnell geritten. Aber nun hast du dir einen Mustang eingefangen, der einer Heuschrecke gleicht. Er macht zuweilen einen Satz, dann ruht er aus, um zu überlegen, wann er den nächsten machen soll. Ich kann nicht einmal auf meiner Schimmelstute mit dir um die Wette reiten, ich würde dich aus den Augen verlieren. Oder wollen wir mit unseren Bogen um die Wette schießen? Ich rate dir gut: Lege nie auf das Ziel an, das du dir vorgesetzt hast; du tust einen Fehlschuß. Ziele weitab, dann wirst du aus Versehen treffen. Oder wie ist es mit Stockball? Dazu kann ich mich wiederum nicht verstehen. Es könnte mich zu leicht die Lust ankommen, dich mit dem Balle zu verwechseln und dich mit meinem Stock in das Zelt zu jagen. Das würde vielleicht meine nützlichste Tat sein. Ich habe gesprochen, hau!«
    Rings brach Gelächter aus; auch als es sich gelegt zu haben schien, flackerte es immer wieder auf wie ein lustiges Feuer. Schonka war dunkelrot angelaufen.
    »Beweise, wo du in der Nacht gewesen bist, du Prahler!«
    Stein mit Hörnern wandte Schonka den Rücken und schaute nach der Seite des Zuhörerkreises, an der die Oberhäuptlinge standen. »Die Häuptlinge und Ältesten mögen den Krieger Donner vom Berge sprechen lassen!«
    Donner vom Berge trat vor. »Mein Blutsbruder Stein mit Hörnern ist in der Nacht vor Beginn des Festes auf seinem Falben in die Prärie hinausgeritten und am Morgen in das Zelt zurückgekehrt. Das ist die Wahrheit!«
    Die Menge der Zuhörer war zufrieden. Uinonah, die Heilkundige im weißen Büffelfell, und Stein mit Hörnern, der die Kette aus Bärenkrallen trug und in allen Wettbewerben gesiegt hatte, gefielen einem jeden, der nicht voreingenommen war. Beifällige Rufe bestätigten die Zustimmung zu dem, was Donner vom Berge gesagt hatte.
    Giftkochend zog sich Schonka in den Hintergrund zurück. Sechs schön gewachsene, bunt und kunstvoll bemalte Ordner nahmen ihn dort in Empfang und erteilten ihm die Püffe und Faustschläge, die ein Verleumder verdiente.
    Der Herold verkündigte im Namen der Oberhäuptlinge und Zaubermänner, daß alle Mädchen die Probe bestanden hätten und würdig gewesen seien, am Tanz der Jungfrauen teilzunehmen.
    Nachdem die jungen Mädchen den Kreis um den roten Kultstein verlassen hatten, mußten jene jungen Männer vortreten, die zwar schon Krieger geworden, sich aber noch nicht durch rühmliche Taten im Kampf und auf der Jagd ausgezeichnet hatten. Solche Grünschnäbel schienen auch noch nicht reif, sich nach den Mädchen umzusehen, und es hagelte Spottworte über alle unter ihnen, die heimlich einer Jungfrau nachgegangen waren oder für sie die Flöte gespielt hatten. Stein mit Hörnern und Donner vom Berge standen nicht in diesem Kreis; sie waren vollwertige Männer, auf der Jagd und im Kampfe bewährt. Aber Nachtwandler, der Sohn von Kluge Schlange, hatte sich bei den Grünschnäbeln einfinden müssen, und Frau Spottdrossel verfiel nach langer Zeit wieder einmal in ihr altes Laster und hänselte den jungen Mann grausam ob seiner Liebe zur Häuptlingstochter. Er wurde schamrot und erwiderte nichts.
    Spottdrossel aber lachte vergnügt, und die Festteilnehmer, besonders die jungen Mädchen, lachten mit ihr. Keine unter ihnen dachte sich etwas Arges dabei, denn solchen Spott mußte ein junger Mann ertragen können, auch wenn es ihm nicht erlaubt war, den Mädchen mit gleich scharfer Waffe zu antworten. Nur einer fühlte sich peinlich berührt, das war Stein mit Hörnern. Er allein beobachtete die Mienen von Nachtwandlers Vater, Kluge Schlange, und ging still beiseite, um nicht den Anschein zu erwecken, daß er eine Art des Triumphes auskoste, um die es ihm wahrhaftig nicht zu tun war.
    Endlich wurde es Abend.
    Die Festteilnehmer zerstreuten sich langsam. Die Luft war lau nach der Hitze des Tages, ein kühler Wind strich von den Bergen her. Der Himmel war erfüllt von den Farben des Sonnenfeuers, die am herrlichsten schienen, ehe die Dunkelheit sie fraß.
    Donner vom Berge geleitete seine Schwester Sitopanaki in das väterliche Zelt zurück. Er lächelte, aber das Mädchen war sehr ernst. Als sich im Hin- und Hergehen der vielen Menschen zufällig ein freier Raum um die Geschwister bildete, so daß sie inmitten der vielen doch allein waren und sicher sein konnten, daß niemand hörte, was sie

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