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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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noch einmal zum Brunnen zurück. »Hat einer von euch Harry gesehen?« fragte er in die Dunkelheit und dem noch nicht aufgelösten Durcheinander.
    »Zu Anfang …«
    »Unsinn. Jetzt, meine ich.«
    »Nein.«
    »Wo kann er denn nur stecken! Unter den Toten ist er auch nicht!«
    »Vielleicht gefangen?«
    »Der ergibt sich nicht. Der weiß doch, was ihm dann blüht.«
    Joe lief wieder weg. Morris und Langspeer hörten, wie der Reitertrupp davongaloppierte, um dem Zug zu Hilfe zu kommen.
    Es war durchaus möglich, daß entflohene Feinde in der Finsternis der Prärie draußen noch mit Pfeil und Bogen lauerten; darum verhielten sich die meisten im Lager ruhig und blieben so gut wie möglich in Deckung. Morris und Langspeer machten sieh aber auf, um den schreienden und stöhnenden Verwundeten, Männern und Frauen, zu helfen, soweit sie es vermochten. Viel konnten sie nicht tun, es mangelte an allem. Die Baracke des Stationsvorstehers, wo sich das Sanitätsmaterial befunden hatte, war erbrochen und durchwühlt. Taylor II saß erschöpft auf einer übriggebliebenen Treppenstufe und strich sich über den lockigen Skalp, der ihm erhalten geblieben war.
    Bei der ersten Hilfe für die Verwundeten ließ es sich nicht vermeiden, daß Morris und Langspeer sich zeitweise trennten, um möglichst rasch an mehreren Stellen zu helfen. Die Lampen in Zelten und Baracken waren alle zerstört oder gelöscht, das Feuer erlosch. Es wurde ringsum dunkel, die Augen mußten sich wieder daran gewöhnen, den spärlichen Schimmer der Sterne aufzunehmen und die Finsternis aufmerksam zu durchdringen. Morris und Langspeer verloren sich zeitweise und verständigten sich dann wieder durch Zurufe.
    Bei einem Verwundeten, dem Morris helfen wollte, hatte er ein merkwürdiges Erlebnis. Er hatte zwischen den Trümmern der eingestürzten Bretterbude einige Tote gefunden, zwei Weiße, der eine davon war eine Frau, und vier Indianer. In der Nähe der vier toten Dakota lag noch ein verletzter Indianer, der vergeblich aufzukommen versuchte. Morris wollte sich seiner annehmen, konnte sich aber mit dem Mann nicht verständigen und traf auf erbitterten Widerstand. Da er auf diese Weise dem anderen nicht zu helfen vermochte, selbst aber in Gefahr kam, ließ er ab und zog sich aus den schwelenden Trümmern zurück. Dabei kam ihm jemand entgegen, jemand oder ein Etwas; es lief wie ein Mensch, starrte den Maler aus dem Dunkeln, aber mit einer Fratze an, die ihn zurückschaudern ließ. Als er ein paar Schritte weitergelangt war, schaute er sich noch einmal um, weil er seinen eigenen Sinnen nicht traute, und meinte, von einem Gespenst geträumt zu haben. Da beobachtete er, wie die Gestalt mit dem Fratzengesicht dem Verwundeten aufhalf. Es huschte noch ein Indianer herbei, der im vollen Besitz seiner Kräfte zu sein schien, und dann waren die beiden samt dem Schwerverletzten verschwunden.
    Er rief nach Langspeer, und als er mit diesem nochmals durch die Trümmer ging, war nicht nur der Verwundete, sondern es waren auch die vier gefallenen Dakota verschwunden.
    »Vielleicht gibt es unter uns hier einige, die den Dakota helfen, ihre Verwundeten und Toten wegzuschaffen«, mutmaßte der Cheyenne. »Sonderbar. Aber schließlich, warum sollten sie nicht? Ich glaube, es ist besser, wir haben morgen keine Gefangenen hier. Der Mob würde sie zerreißen.«
    Morris und Langspeer arbeiteten an ihrem Hilfswerk weiter und blieben jetzt immer eng zusammen. Es war noch nicht viel Zeit verflossen, als beide aufhorchten.
    Ein dumpfes, mächtiges, unheimliches Dröhnen erfüllte Luft und Boden. Es schien näher zu kommen.
    »Die Büffel!« schrie Langspeer. »Die Büffel!«
    Eine Stimme kreischte, als ob einer den Verstand verloren habe.
    Langspeer suchte nach den Pferden. Sein eigenes und das des Malers fand er zwar nicht mehr, aber er griff dafür zwei andere am Zügel und führte sie zu Morris herbei. »Wenn die Büffel hierher kommen«, sagte er, »müssen wir Pferde haben, sonst sind wir verloren.«
    »Gott behüte, die Büffel werden doch nicht … Wir können auch Henry nicht im Stich lassen!«
    Das Dröhnen nahm nicht ab. Es schien, als bebte der Boden eine endlose Zeit. Doch nahm die Herde nicht Richtung auf die Station.
    »Irgend jemand jagt die Büffel«, sagte Langspeer. »Sonst galoppieren sie nicht mitten in der Nacht.«
    »Vielleicht entschädigen sich die Dakota durch Jagdbeute für ihre Verluste hier. Konkurrenz können wir ihnen bei dieser Herde nicht mehr machen. Das hat

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