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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den Sohn anzusehen. Er hatte Tashunka-witko verfolgen wollen, aber da der Sohn es von ihm verlangte, stand er davon ab. Harka ging zu seinem Schecken, schwang sich auf und ritt ohne Gruß weg. Joe schaute ihm lange nach.
    »Was habt ihr nur immer miteinander«, sagte der Ingenieur später zu Mattotaupa, als beide schon zu Pferde saßen und die übrigen aufsprangen, um den Ritt zur Station zu beginnen. »Zwei Kerle seid ihr, von denen jeder zehn oder zwanzig oder vielleicht sogar hundert andere aufwiegt. Aber wenn ihr zusammenkommt, streitet ihr, mit Worten oder auch ohne Worte. Das geht schon seit Jahren so. Dabei seid ihr doch aufeinander angewiesen. Reitet Harry jetzt Tashunka-witko nach?«
    »Nein.«
    »Also auf Kundschaft?«
    »Ich weiß es nicht. Frage ihn, wenn er sich noch einmal sehen läßt.«
    »Das klingt nicht sehr aussichtsreich!« Die Pferde wurden zum Galopp getrieben; das Gespräch war damit beendet.
    *
    Nach einem mehrstündigen Ritt, der an den Gleisen entlangführte, gelangte die Gruppe zum Stationslager. Die Reiter schwenkten die Hüte, und die Begrüßung war beiderseits laut und wortreich.
    Joe fand daran wenig Geschmack. Nachdem er sein Pferd untergebracht hatte, ließ er sich von diesem und jenem das Wichtigste berichten und suchte dann Henry in der Kammer der Bretterbude. Es ging Henry nicht gut. Morris und Langspeer waren um ihn bemüht. Der Verletzte hatte nochmals erbrochen und lebte immer noch zwischen Ohnmacht, Dämmerzustand und Schlaf.
    »Er soll vollständig ruhig liegenbleiben!« sagte Joe, zornig aus teilnehmender Besorgnis, aber sehr leise, um den Verletzten nicht aufzustören. »Wenn Tashunka-witko zuhaut, haut er eben zu. Es wäre schlimmer gewesen, wenn der Hieb mit der Schneide gesessen hätte.«
    »Ihr werdet um Henrys willen noch länger hierbleiben?« fragte der Maler.
    »Muß ich wohl. Der Junge kann einem Sorgen machen.«
    »Die Kammer nebenan ist wieder zurechtgezimmert. Ich ziehe mit Langspeer dorthin und räume euch hier mein Lager ein. Dann brauchen wir Henry nicht umzubetten.«
    »Meinen Dank!«
    Der Umzug war schnell bewerkstelligt. Als Henry eingeschlafen war, ging Joe zu Morris und Langspeer hinüber, um ihnen von den Ereignissen beim Zug zu berichten und sich auch von ihnen erzählen zu lassen, was inzwischen auf der Station geschehen war.
    »Ja, Harry lynchen«, wiederholte Joe. »Deshalb ist der Bursche wohl fortgeritten! Hätte uns lieber ein Wort sagen sollen. Wir wären mit der Bande fertig geworden.«
    »Gewiß.« Der Maler sah den Ingenieur nachdenklich an. »Aber glaubt ihr wirklich, daß Harry sich gefürchtet hat?«
    »Der fürchtet Tod und Teufel nicht, das habe ich heute nacht wieder gesehen. Aber der Undank mußte ihn kränken. In dergleichen Dingen war er immer empfindlich wie eine Nippesfigur.«
    »Joe, auch ein junger indianischer Kundschafter ist mehr als eine Figur. Er ist Mensch. Heute nacht hat Harry für ein paar Minuten die Rolle gespielt, die er sich seine ganze Kindheit hindurch erträumt hat; er war Kriegshäuptling der Dakota, Vorkämpfer in seinem Stamme; er hatte die Befehlspfeife an den Lippen. Dann wandte er sich um und stieß denen, die ihm gefolgt waren, das Messer ins Herz und in die Nieren. Glaubt ihr, daß er das getan hat, ohne daß in ihm selbst etwas zerriß?«
    Joe zuckte die Achseln. »Er wollte es selbst so haben!«
    »Meint ihr? Er wollte verhandeln, als ich das vorschlug, aber ihr habt ihm das Wort abgeschnitten wie einem vorlauten Jungen.«
    »Hm! Na ja. Und dann hat er sich selbst moralisch zuviel zugemutet. Kann sein. Also doch Zwielicht! Wir haben schon zu hören bekommen, daß die toten und die verwundeten Dakota alle verschwunden sind und daß dieses Weib mit dem verstümmelten Gesicht, das in Harrys Zelt wohnte, Gift genommen hatte, als die Männer sie zur Rechenschaft ziehen wollten.«
    Die drei Männer begannen zu rauchen, und es blieb einige Zeit still in der Kammer.
    »Mattotaupas müßten wir uns annehmen«, meinte der Maler endlich leise. »Ich habe ihm zu sagen, wohin sein Sohn geritten ist.«
    »Top sitzt drüben, spendiert und säuft wie toll bei der zweiten Siegesfeier. Er muß ganz und gar darüber verzweifelt sein, daß Harry ihn verlassen hat. Sucht Top lieber morgen oder übermorgen auf, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen und über seinen Kummer ruhiger nachgedacht hat.«
    »Ich weiß nicht«, zögerte Morris, aber dann entschloß er sich doch, nach diesem Rat zu handeln.
    Es war Abend. Morris und

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