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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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kam die Antwort. Mattotaupa war aufgestanden. Seine Augen glänzten. »Jim, mein Bruder!«
    Die Zeltwand am Eingang glitt zurück. Joe Brown war draußen stehengeblieben und ging so langsam, wie er gekommen war, zu der Kammer von Morris und Langspeer, in der er Lichtschimmer erkannte.
    Er trat ein und setzte sich auf den Rand der einen Lagerstatt, an den Platz, an dem Harry gesessen hatte.
    »Zu spät!« sagte er. »Jim ist da.«
    Morris und Langspeer beantworteten die Entscheidung, die der Zufall gefällt zu haben schien, erst mit Schweigen. Aber dann hob Morris doch den Kopf, sah erst Langspeer, dann Joe in die Augen und sagte: »Vielleicht nicht nur zu spät, sondern überhaupt unmöglich. Mattotaupa ist ein ganz anderer Mensch als zum Beispiel du, mein roter Bruder Langspeer. Er ist nicht auf einer Reservation aufgewachsen, sondern war Kriegshäuptling bei einer Gruppe der Teton-Oglala, eines besonders verwegenen und kriegerischen Stammes der Dakota. Könnte einer von uns mit Mattotaupa oder Mattotaupa auf die Dauer mit einem von uns zusammen leben? Das aber braucht er, den Zusammenhalt, wie er ihn in seinem Stamme hatte. Einen einzigen Menschen wenigstens brauchte er, der zu ihm gehört und sein Leben teilt. Es gibt nur zwei, mit denen Mattotaupa noch zusammen leben könnte, so wie er jetzt leben muß ­ verbannt aus seinem Stamm, als Kundschafter entlassen, Harka oder Jim. Harka ist gegangen. Also bleibt Jim.«
    »Das heißt: das Todesurteil«, schloß Joe.
     
     

 
Adlerjagd
     
    Harka Steinhart Nachtauge, von den weißen Männern Harry genannt, befand sich auf dem Wege zu den Siksikau. Er wollte nicht dieselbe Route wählen, auf der er Jahre zuvor in den Prärien nördlich des Missouribogens südwärts über die Black Hills und den Niobrara bis zum Quellgebiet des Platte gelangt war. Er hatte vielmehr die Absicht, das Gebiet der Dakotastämme überhaupt zu meiden und, westlich zum Felsengebirge ausbiegend, durch die Wohnsitze und Jagdgründe der Schoschonen und der Absaroka hinauf in den Norden zu den Quellflüssen des Missouri zu reiten. Die Landschaften, die er zu Pferd durchwandern wollte, waren ihm noch unbekannt. Er hatte sie auf Landkarten studiert, die für diese Gegenden noch lückenhaft und unzulänglich waren. Lesen, Schreiben und Kartenlesen hatte er schon als Zwölfjähriger bei einem weißen Manne auf dem Wege von Omaha bis Minneapolis gelernt und dann weiter geübt; Joe und Henry waren ihm dabei behilflich gewesen. Die Karten, die er besessen hatte, waren nun allerdings alle verloren. Das Wichtigste daraus hatte er im Kopf. Er wußte, daß eine Strecke von etwa tausend Kilometern zu bewältigen war. Da er das Umgehen von Bergen und andere mögliche Hindernisse in die Rechnung einbeziehen mußte, konnte er nicht früher als in etwa drei Wochen die Gegenden zu erreichen hoffen, denen er zustrebte. Dort würde dann die Suche nach der Jagdgruppe der Siksikau, die von dem Häuptling Brennendes Wasser geleitet wurde, für ihn beginnen.
    Der Schecken, den Harka ritt, war ein braves Tier von mittelmäßigen Kräften. Er mochte sechs Jahre alt sein, war zuletzt mit Sattel und Steigbügel geritten worden, früher aber ein Indianerpferd gewesen und reagierte auf jeden leichten Schenkeldruck schnell und sicher. Das tägliche Durchwandern weiter Strecken sagte dem Tier mehr zu als das Pferdeleben bei der Bahnstation; es wurde wieder munterer, und seine Leistungsfähigkeit nahm zu, obwohl sein Reiter viel von ihm verlangte. Doch spürte der Schecken auch, daß er einen Menschen auf seinem Rücken trug, der so gut wie ein Mustang gutes Wasser und Windschutz zur Nacht fand und der stets wußte, was er wollte. So lebten sich die beiden, Pferd und Mensch, schon nach wenigen Tagen zusammen ein.
    Harka ernährte sich von der Jagd und hatte es dabei vor allem auf kleines Getier abgesehen, da er nicht viel Proviant mit sich führen, aber auch nicht zuviel Jagdbeute verludern lassen wollte. Daß erlegte Tiere sorgfältig genutzt werden sollten und daß man nicht mehr Tiere tötete, als Fleisch und Häute gebraucht wurden, hatte er von Kind an gelernt. Die Vorberge waren wildreich, in den Wassern gab es genug Fische, und er wurde immer satt. Zuweilen machte er sich Feuer, zuweilen nicht. Zuweilen ritt er tags, zuweilen nachts, je nach dem Gelände, in dem er sich befand. Die Frühlingstage wurden schon wärmer. Er hatte seine Büffelhautdecke bei sich und vermißte kein Zelt. Nur wenn es zur Schlafenszeit stark

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