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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Langspeer ließen sich das Essen auf ihre Kammer bringen. Daisy-Vicky hatte diese Aufgabe übernommen. Sie wußte, daß sie sich Hände und Gesicht sehr sauber waschen mußte, um solchen Dienst versehen zu dürfen, und das tat sie auch regelmäßig und ohne es ein einziges Mal zu vergessen. Der Maler hatte sich an sie gewöhnt.
    Joe sprach Daisy an. »Bringst du mir auch jeden Abend das Essen? Ich muß bei Henry bleiben.«
    »Nein, dir bringe ich es nicht. Das übernimmt eine andere.«
    »So? Meinetwegen. Was macht der lockenhaarige Herr in seiner Bretterbude?«
    »Große Worte! Er ist’s natürlich, der gesiegt und die Station und den Zug gerettet hat.«
    »Wird’s ihm einer glauben?«
    »Die, auf die es ihm ankommt, werden es ihm schon glauben.«
    »Er will Karriere machen?«
    »Wird er auch.«
    »Viel Glück! Auf einen mehr oder weniger von der Sorte kommt’s nicht an. Wir leben sowieso in schweinischen Zeiten. Pfui Deiwel!«
    »Den Top entläßt er. Indianer will er nicht mehr sehen. Er hat’s ihm schon gesagt.«
    »Was wird Mattotaupa machen?« fragte Morris.
    »Der? Vorläufig saufen. Er will warten, bis Jim zurückkommt, oder er will ihn auch suchen gehen.«
    Vicky-Daisy zog sich zurück.
    Der Maler schaute bedrückt vor sich hin. »Langspeer, willst du mir einmal die Skizzen geben? Wir hatten sie im Gepäck. Vielleicht sind sie noch da.«
    »Sie sind noch da, mein Bruder Weitfliegender Vogel.«
    Der Cheyenne packte eine große Mappe aus, die, mit einer Decke verhängt, an der Wand gestanden hatte.
    »Ach, da sind sie!« Morris nahm ein Blatt nach dem anderen heraus. »Hier, Joe, wer ist das?« Es handelte sich um eine Bleistiftskizze.
    »Das … Donner und Wetter! So hat Mattotaupa damals ausgesehen?«
    »Ja, so sah er aus. Vor sieben Jahren, als ich sein Gast war. Ein stolzer Häuptling.«
    Joe vertiefte sich in die Bilder. »Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Wir müssen etwas für Mattotaupa tun. Ich gehe nun doch hinüber zur Siegesfeier, wenn mir auch schon beim bloßen Gedanken daran schlecht wird, als hätte mir einer lockige Haare zu fressen gegeben.«
    Joe verließ den Raum.
    Es war längst dunkel geworden.
    Da die alte Gastbaracke in Kampf und Feuer völlig zu Bruch gegangen war, bediente der Wirt mit Erlaubnis des Stationsleiters vorläufig wieder in dem großen Zelt, in dem die Kisten und Ballen noch etwas höher gestapelt waren, um für Tische und Bänke erneut Platz zu schaffen. Der frühere Geiger spielte wieder. Joe hörte den Bogen schon auf den Saiten kratzen, noch ehe er das Zelt betrat. Er ließ sich Zeit und schaute noch ein paar Minuten, in sich versunken, in die Nacht hinaus. In der zentralen Bauleitung hatte er sich nicht wohl gefühlt, und hier gefiel es ihm auch nicht mehr. Aber er hatte schon gehört, daß eine weitere Überlandbahn gebaut werden sollte, unter schwierigsten Verhältnissen oben im Norden. Dort mußten sich noch Aufgaben für einen Pionier finden. Allerdings, seit dem Tage, an dem er mit drei Mann nackt durch die Prärie gewankt war, waren fünf Jahre vergangen, und jedes dieser Jahre wog doppelt im Verzehr der Kräfte. Joe Brown war älter geworden.
    Er schrak zusammen, denn eine Hand hatte sich ihm mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter gelegt. »Alter Freund!« rief eine volltönende Stimme. »Träumst du von großen Zeiten? Die jetzigen sind auch nicht zu verachten!«
    »Du, Jim?«
    »Habt mich nicht so rasch zurückerwartet, wie?« Red Jim ließ den Ingenieur los und stellte sich breitbeinig neben ihn. »Mich hat wohl mein sechster Sinn hierhergetrieben! Wer hat denn eure Station in Unordnung gebracht?«
    »Dakota.«
    »Mann, die habt ihr einfach hereingelassen? Bei hundert Flinten und mehr? Ihr seid mir die richtigen! Was machen Top und Harry?«
    »Noch am Leben.«
    »Mehr nicht? Ihr seid wortkarg geworden, Joe. Habt ihr was gegen mich? Ich gehe einstweilen trinken. Morgen ist auch ein Tag. Wir sprechen uns noch!«
    Red Jim ging mit schweren hohen Stiefeln zu dem Zelt, aus dem der Lärm der Musik und das laute Gelächter der Betrunkenen drangen. Er öffnete, und als er eintrat, war Joe ihm mit leisen Schritten nachgekommen und stand hinter ihm, ohne daß Jim ihn bemerkte. Joe Brown warf einen Blick ins Innere des Zeltes. Am zweiten Tisch saß Mattotaupa, umgeben von Männern, die ihr Trinken bezahlt haben wollten und dafür an bewundernden Worten nicht sparten.
    »Top!« rief Red Jim, und seine Stimme durchdrang allen Lärm im Zelt.
    »Jim!«

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