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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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damit beginnen wollten. Harka teilte mit, daß dies der Sitte der Dakota entspreche und daß es sein, des Siegers, Wunsch sei, den toten Bären versöhnt zu wissen. Doch könne er selbst an dem Kulttanz nicht teilnehmen, da er noch kein Krieger sei.
    Dies mußte er zweimal wiederholen, da alle Anwesenden meinten, ihn falsch verstanden zu haben. Er wirkte älter als er war. Wahrscheinlich glaubten die Männer, daß er schon vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Sommer gesehen habe, und seine Kühnheit und Geschicklichkeit waren die eines Kriegers. Der alte Friedenshäuptling und der Zaubermann wechselten einen Blick, und der Zaubermann erklärte, er wolle am kommenden Morgen bekanntgeben, ob es die Geister gestatteten, daß in diesem denkwürdigen Falle ein Jäger, der noch nicht die Kriegerwürde besaß, an dem Tanze teilnehme.
    Als die Gäste sich entfernten und Ruhe im Zelte eintrat, erhielt Harka einen vorzüglichen Schlafplatz mit vielen Decken, die er alle nicht gebrauchen wollte. Es machte ihm aber Freude, daß das kleine Mädchen, das er vor dem Bären gerettet hatte, mit seiner Mutter kurz vor dem Schlafengehen ins Zelt kam. Die Mutter war die Tochter des Friedenshäuptlings. Sie versicherte, daß sie aus den Krallen und Zähnen des Untiers für Harka die Kette arbeiten würde, die nicht nur als Siegeszeichen und Symbol von Kraft und Mut, sondern selbst als kraftspendend galt.
    In der Nacht taten dem glücklichen Jäger beim Liegen Nacken und Schulter noch weh. Er schlief zwar, aber er träumte von dem Bären und wunderte sich, daß das Raubtier nicht vor ihm stand, als er aus dem Schlafe fuhr. Am nächsten Morgen erzählte er dies beim Zeltfeuer. Die Zuhörer schwankten zwischen Lachen und abergläubischer Furcht. Der Geheimnismann wurde unterrichtet. Er behauptete, von dem Traume gewußt zu haben, was Harka im stillen bezweifelte. Die Entscheidung des Zauberers ging dahin, der Bärengeist selbst sei gekommen und habe die Teilnahme des Jägers am Bärentanz gefordert. Damit war diese Frage entschieden.
    Die Teilnahme am Bärentanz bedeutete für Harka Steinhart Nachtauge eine große Ehre, aber auch eine große Anstrengung. Er erhielt das schönste Grizzlyfell, das ein Krieger des Dorfes besaß, um sich damit als Bär zu verkleiden. Er mußte es über Kopf und Schultern nehmen. Zehn Krieger nahmen an dem Kulttanz teil, der auf dem Dorfplatz stattfand und einige Stunden dauerte. Die Männer ahmten die Bewegungen und das Brummen des Raubtiers nach.
    Harka verstand es ausgezeichnet, den Bären zu spielen, die täppischen und doch im gegebenen Augenblick geschickten und gefährlichen schnellen Bewegungen nachzuahmen, und er konnte täuschend ähnlich fauchen und brummen. Seine hohe Gestalt wirkte in dem großen Bärenfell furchterregend und stolz, und alle glaubten, daß der Bärengeist bei ihm sei. Scheu schauten die Kinder von ferne zu. Um die Mittagszeit beendete der Zauberer den Bärentanz. Erschöpft warfen die Tänzer die Felle ab. Der tote Grizzly, um dessen blutige zerschmetterte Schnauze die Fliegen summten, galt als versöhnt. Harka ging zum Bach, reinigte sich mit Sand und Wasser und setzte sich ins Zelt, um zu rauchen. Der Nacken schmerzte ihn viel mehr, als er je zugegeben hätte. Der Tanz war anstrengender für ihn gewesen als die Jagd. Dennoch war er auf eine ihm selbst nicht ganz erklärliche Weise befriedigt davon, daß er diesen Bären nicht getötet hatte, wie weiße Männer ein Schwein schlachten oder wie sie mit der Repetierbüchse in zehn Minuten fünfzig Büffel niederknallen. In der Ehrung für das tote große Tier lag eine nur dumpf bewußte, aber doch wirksame Ehrung für eine kraftvolle Form, die das Leben gefunden hatte. Der Bär beschäftigte Harka, der sich als einen der Söhne der »Großen Bärin« glaubte, in Gedanken mehr, als ihn im gesetz- und regellosen Treiben eines Grenzlagers an der Bahn die Tatsache beschäftigt hatte, daß er Beleidiger irgendwo abgefaßt und nach Sekunden als Sieger niedergestoßen hatte, um ihnen den Skalp zu nehmen. Er hatte auch nicht den Wunsch empfunden, die Geister solcher Männer zu versöhnen. Mochten sie hinter ihm her sein, wenn es sie gelüstete. Er fürchtete sie nicht.
    Zwei jüngere Krieger fanden sich ein, um sich im Zelt mit Harka zu unterhalten. Da die Verständigung immer mit Zeichen vor sich ging, mußte man sich sehr kurz und einfach ausdrücken, konnte einander auch nicht viel berichten. Das war Harka, soweit es ihn selbst betraf, nur

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