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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gesichtsfeld zu haben; er verfolgte den weiteren Flug des Adlerpaares. Wo sie mit ihrer Beute niedergingen, da mußte der Horst sein. Seine beiden Gefährten waren liegengeblieben, um alles zu vermeiden, was die mißtrauischen Vögel auf die Jägergruppe aufmerksam mächen konnte.
    Für einen Schuß war die Entfernung viel zu groß. So weit trug auch eine Büchse nicht.
    Harka konnte aber ohne Mühe beobachten, wie das Adlerpaar, die Beute in den Fängen, herunterging. Der Horst mußte sich auf einem der hohen Bäume oder auf einem der Felstürme der Vorberge befinden. Die Adler waren steil herabgeschwebt und dann hinter einem Gipfel für Harkas Augen verschwunden. Er setzte sich und sagte: »Morgen früh haben wir ihn.« Er sprach in der Einzahl. Es ging den drei Jägern nur um die schön gezeichneten Schwanzfedern des männlichen Adlers. Die Jäger freuten sich, sie lachten, aßen von ihrem Proviant und rauchten.
    An Schlaf war jetzt nicht zu denken. Die drei hatten sich den langen Tag über auch genügend ausgeruht, um eine Nachtwanderung zu beginnen. In gewandten und gewagten Sprüngen, mit dem Blick im voraus jeden guten Tritt erhaschend, eilten sie miteinander den Berg hinab, auf der Westseite, auf der sie heraufgekommen waren. Während die Sonne sich anschickte zu scheiden, die Vögel sich im Gezweig versteckten und die Raubtiere zu schleichen begannen, drangen die drei Jäger durch das Krummholz abwärts. Im Hochwald war es schon finster. Aber sie kannten alle die Richtung, die sie einhalten mußten, und die beiden Absaroka wußten auch mit den Eigenheiten des Geländes, mit den Wildpfaden, die man durch sonst undurchdringlichen Busch benutzen konnte, im großen und ganzen Bescheid. Als die drei einen Bogen nach Nordwesten geschlagen hatten und den Bach erreichten, der aus der Schlucht unterhalb der Salzlecke abfloß, tranken sie durstig. Das Vorwärtskommen war von jetzt ab nicht allzuschwer. Die Strecke, die sie zu durchmessen hatten, war aber verhältnismäßig lang, und so hielten sie den Dauerlauf durch, um keine Zeit zu verlieren. Nur hin und wieder legten sie eine Rast ein. Mitternacht war längst vorüber, als sie den Berg umgingen, der die Sicht auf den Adlerhorst versperrt hatte. Sie beeilten sich noch mehr.
    Als sie einen Baum fanden, der recht für Späher gewachsen schien, über fünfzig Meter hoch, weit über den übrigen Wald aufragend, beschloß Harka, diesen zu erklettern und Ausschau zu halten. Der erste Zweigansatz an dem Riesenstamme war sehr hoch, der untere zweiglose Teil des Stammes war schwer zu ersteigen. Harka sprang jedoch einem seiner Gefährten auf die Schultern, schwang dann das Lasso um den Stamm, so daß er, die beiden Enden fassend, einen guten Halt hatte, und begann am Stamme hinaufzulaufen, während er das Lasso immer wieder höher schlug. Es dauerte auf diese Weise nicht allzu lange, bis er die untersten Zweige am Stamme erreichte und nun, geschmeidig und geschickt wie ein Luchs, in die Baumkrone hinaufdrang, bis er endlich im Wipfel saß. Seine Büchse hatte er in der Lederhülle bei sich. Nur diese Lederhülle hatte einen Riemen, mit der die Waffe über die Schulter gehängt werden konnte.
    Noch war es Nacht. Zu Füßen des Gebirges dehnte sich in Mond- und Sternenlicht die Prärie, der die Indianer durch ihre Nachtwanderung bedeutend näher gekommen waren. Die dunklen Wälder an den Berghängen rauschten wieder im Wind, und der Wipfel, in dem Harka saß, schwankte stark. Aber er gewährte einen ausgezeichneten Rundblick.
    Harka Steinhart Nachtauge Bärenjäger richtete seine Aufmerksamkeit vor allem auf ein zerklüftetes Felsenriff, das er nordwärts sofort entdeckt hatte. Es war von dem Baum, in dessen Wipfelgeäst der Indianer saß, etwas mehr als tausend Meter entfernt. Der Mondschein lag auf dem hellen Felsen. Wäre Harka ein Adler gewesen, er würde seinen Horst auf diesem schroffen, schwer zugänglichen Felsen gebaut haben, der sich wie ein Turm über Hängen und Wäldern erhob und den Blick über die Prärie weithin erlaubte.
    Wenn er recht sah, hatte das Adlerpaar sich tatsächlich diesen Felsen als Platz zum Horsten gewählt. Harka glaubte etwas von den starken Ästen und jungen Baumstämmen zu erkennen, die die beiden Raubvögel hinaufgeschafft hatten. Vielleicht hatten sie Junge im Horst sitzen. Ein Fels, der wie ein gestreckter Finger aufragte, verdeckte einen Teil des Horstes.
    Tausend Meter war zu weit für einen sicheren Schuß. Harka wollte näher an den

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