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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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vom Berge sein Teil ab. Da er vorher gelacht hatte, lachte jetzt Stein mit Hörnern.
    Der Hengst war gefesselt, seine Hufe aber waren auch aus dem Moor befreit, und er versuchte sich zu wälzen, zum Glück auf den Baumstämmen und Fellröcken, auf denen ihn das unter der Schulter durchlaufende Lasso festhielt. Dennoch konnte das so nicht weitergehen. Stein mit Hörnern fing das Ende des Lassos, dessen Schlinge um den Hals des Tieres lief, und ständig bedroht von dem gefährlichen Gebiß, machte er auch dieses Lassoende an den Baumstämmen fest, so daß der Kopf gehalten war.
    Als die beiden jungen Krieger das alles geschafft hatten und keuchend auf dem dünn vereisten Moore standen, banden sie an die Enden der Baumstämme ihre übrigen Riemen an. Stein mit Hörnern begann den Hengst auf der Rutsche über das Moor aufwärts zu ziehen, während Donner vom Berge am unteren Ende der Baumstämme schob. Die Strecke war nicht lang, aber Stunden vergingen, bis die Jagdgefährten ihr Ziel erreicht hatten.
    Es war unterdessen Nachmittag geworden.
    Die beiden Jäger setzten sich neben das gefesselte Pferd, das ebenso vollständig erschöpft war wie sie selbst und nur noch hin und wieder mit den Hinterbeinen zuckte.
    Stein mit Hörnern untersuchte, ob er noch seine Pfeife und seinen Tabaksbeutel bei sich hatte, und als er sie fand, war er zufrieden, rieb Feuer und begann zu rauchen.
    »Wie hast du dir das weiter gedacht?« fragte Donner vom Berge.
    »Ich bleibe hier. Schicke mir Decken für den Mustang und einen Fellrock für mich. Zu essen habe ich bei mir. Aber ich brauche auch jemanden, der mich in Wachen und Schlafen ablöst und der mir hilft, den Mustang zu streicheln und ihm sein Lied zu singen.«
    »Das sollst du alles zur Nacht noch haben!«
    Donner vom Berge erhob sich gleich, nahm die Schneereifen auf den Rücken und sprang, fröhlich und übermütig wie ein Junge, die Hänge und den Wald hinab, hinunter zu den Zelten. Was für eine erstaunliche Nachricht konnte er dorthin bringen! Das Geisterpferd war gefangen und gefesselt.
    Stein mit Hörnern saß hoch oben, über dem Moor. Der Himmel hatte sich wieder bezogen. Es begann von neuem zu schneien. Dabei legte sich jedoch der Wind, so daß der junge Krieger, der keinen Rock anhatte, die Kälte nicht mehr so beißend empfand wie vorher. Als er mit seiner Pfeife zu Ende war und sie verwahrt hatte, rückte er dicht an den Mustang heran, schmiegte sich an den warmen Tierkörper und begann das falbe Fell, das vom Schweiß der Anstrengung und Angst verklebt, vom Moor beschmutzt und durchnäßt war, zu streicheln.
    Er spürte das Zucken der Haut, Zucken eines Tieres, das noch nie von Menschenhand bezwungen worden war. Er legte sich an den Hals des Mustangs und sang an seinem Ohr leise, ganz leise die Zauberlieder der Dakota, mit denen sie die wilden Pferde an die Stimme des Menschen und an seine Freundschaft zu gewöhnen pflegten. Das Tier war durch den vorangegangenen Kampf mit Moor und Mensch erschlafft. Sogar das Zucken seiner Haut hörte auf, und es lag regungslos, während sein Bezwinger ihm unaufhörlich über das Fell strich und ohne Unterlaß das leise bezaubernde Lied sang.
    Es war dunkel, und nur der Schnee leuchtete noch, als Stein mit Hörnern Schritte und Huftritte hörte, die den Berg heraufkamen. Er horchte und spähte, und als der Heraufkommende ihm schon nahe war, erkannte er ihn. Donner vom Berge kehrte zurück. Er führte die Schimmelstute mit, die eine Rutsche, mit Lederplanen und Decken beladen, hinter sich herzog. Was er brachte, genügte vollauf, um ein kleines Jagdzelt aufzuschlagen und um den Mustang mit Büffelfellen zuzudecken. Donner vom Berge wußte, daß er mit seinem Blutsbruder viele Tage hier oben in Kälte, Sturm und Schnee verbringen mußte, bis dieser Hengst, der hier gefangen und gefesselt lag, von seinem Reiter ungefährdet zum Dorfe gebracht werden konnte. Tag und Nacht mußten die jungen Krieger den ganzen Körper des Tieres streicheln und das leise Lied singen, bis sich das Tier an den Menschen gewöhnte. Bei einfachen Pferden wurde das Streicheln und Singen den Kindern überlassen. Aber wenn es irgendeinem Menschen gelang, den von Geistern und Tollheit verfolgten Hengst wieder zu heilen und ihn gar zu zähmen, so konnte dieser eine nur Stein mit Hörnern sein.
    Donner vom Berge schlug das Zelt auf. Aber sein Gefährte blieb auch für diese Nacht draußen und lag, in Winterrock und Büffelfell gehüllt, bei dem gefesselten Mustang, den

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