Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Herrn.
    Donner vom Berge kam, um weiter auf das Pferd zu achten. Harka, der Stein mit Hörnern geworden war, hatte es sich verdient, im Zelte Hirschfleisch zu essen und sich dann auf die Decken zu strecken.
    Bei Sonnenuntergang kamen die würdigsten Männer als Gäste zu Häuptling Brennendes Wasser, und die Geschichte des Geisterpferdes sowie Pferdegeschichten überhaupt waren das einzige und unerschöpfliche Thema des ganzen Abends. Der junge Krieger, der verhindert hatte, daß der Mustang erschossen worden war, hatte an Ansehen sehr gewonnen. Er besaß jetzt das beste Pferd im ganzen Stamme der Siksikau, und er hatte bewiesen, daß er zähe und urteilskräftig genug war, ein unmöglich erscheinendes Vorhaben zu einem guten Ende zu bringen.
    In den nächsten Wochen und Monaten war der junge Krieger damit beschäftigt, den Falben wirklich einzureiten. Das Tier war empfindlich und sehr klug, und Stein mit Hörnern gewann die Fühlung mit ihm. Nach der Wintersonnenwende konnte er schon sagen, daß der Hengst auf jeden leisen Schenkeldruck richtig reagiere. Freigelassen, lief er seinem Herrn nach, was bei wild eingefangenen Pferden nur selten zu erreichen war. Er lernte, auf ein Zeichen hin zu bocken, und auch, sich samt seinem Reiter hinzuwerfen und totzustellen. Im Frühjahr sollte er die Büffeljagd kennenlernen. In der Pferdeherde des Zeltdorfes übte er eine unbeschränkte Herrschaft aus; alle Hengste und Stuten richteten sich nach ihm. Das war eine Beziehung, in der er noch bösartig werden konnte. Er duldete keinen Ungehorsam. Er duldete aber auch nicht, daß ihn irgendein anderer Mensch außer seinem Herrn anrührte.
    Stein mit Hörnern besaß nun drei Pferde, den Falben, die Schimmelstute und den Schecken. Das Fohlen schenkte er seinem Blutsbruder. Auf den ruhigen Schecken setzte er zuweilen, wenn er nichts zu tun hatte und gut gestimmt war, den kleinen Bruder von Donner vom Berge. Der Junge stellte sich nicht ungeschickt an. Sobald er vier Jahre wurde, konnte er mit Leichtigkeit selbständig reiten lernen.
    So verging der Winter. Wölfe mußten verscheucht und gejagt werden. Drei Bären wurden erlegt, zwei Braunbären und ein Baribal, und die Jagdgefährten schössen zwei Luchse ab. Es gab immer Arbeit für die Jäger, aber auch genügend Ruhestunden. An den langen Winterabenden erzählte Donner vom Berge seinem Blutsbruder, was er in den Jahren der Trennung als heranwachsender Bursche erlebt und gedacht hatte. Stein mit Hörnern berichtete nichts von sich selbst und nichts vom Vater, aber viel von den weißen Männern und dem Bahnbau. Auch der Häuptling und der Zaubermann hörten ihm dabei aufmerksam zu.
    Der Frühling kam. Es wurde Mai, bis der Schnee endlich wegschmolz, die Eiszapfen an den Tannen sich tropfend auflösten und die Bäche und Flüsse voll Schmelzwasser reißend dahinströmten. Die Mustangs waren abgemagert und scharrten die Schneereste weg, um gierig nach Gras zu suchen. Die Männer, Frauen und Kinder freuten sich auf die kommenden Büffeljagden, denn die Vorräte waren zur Neige gegangen, und die Jäger mußten immer weiter in den Bergen umherschweifen, um noch Beute zu finden und den Hunger im Zeltdorf zu stillen.
    Als die Knospen sprangen und das junge Gras sproß, wurden die Zelte abgeschlagen, und der Wanderzug setzte sich in Bewegung, um aus den Vorbergen abzusteigen und die Prärie zu gewinnen. Wie im vergangenen, so wählten der Häuptling und die Ältesten auch wieder für den kommenden Sommer die Waldinsel mit Quelle als Standplatz für die Zelte.
    Die Mädchen suchten Holz, die Hunde schnüffelten umher, die Knaben spielten auf den nassen Wiesen. Donner vom Berge und Stein mit Hörnern führten ihre Mustangs, den Fuchs und den Falben, zu der Quelle, wo schon die saftigsten Krauter aus der Erde kamen. Es war Morgen, der Tau schillerte in allen Regenbogenfarben, da die Sonne sich darin spiegelte; die Quelle rauschte laut und sprudelte und quirlte mit ihren Wassern nicht nur im Sandbett dahin, sondern über die flachen Ufer hinaus durch Moos, über Wurzeln und Gras. Die Lerchen stiegen steil in die Höhe und sangen. Bei der Pferdeherde suchten die Drosseln nach Futter.
    Donner vom Berge und Stein mit Hörnern ritten zusammen als Jagdkundschafter aus, um nach Büffelherden zu spähen. Stein mit Hörnern führte, denn der Falbe war noch nicht zu bewegen, sich in eine Reihe einzugliedern. Er wollte allein oder der erste sein. Die Jagdgefährten trafen eine kleine Gruppe von sechs

Weitere Kostenlose Bücher