Heimlich Fee 1: Wie eine Freundin in mein Leben purzelte (German Edition)
beworfen.
Noch nie in meinem Leben habe ich mich so klein und dumm gefühlt wie in diesem Augenblick. Ich spürte die Blicke der ganzen Klasse im Nacken. Ein paar Leute lachten. Und Jill natürlich am lautesten.
„Wer war das?“, keifte Frau Monteli. Mit versteinerter Miene blickte sie auf die Klasse. Aber der Täter verriet sich nicht. Plötzlich schrieben alle fleißig die Aufgabe ab, die ich vorgerechnet hatte.
„Wer von euch war das?“, wiederholte meine Lehrerin in ihrem strengsten Tonfall. Keiner blickte auf.
Ich hätte es ihr sagen können, denn eine lange Spur von Tropfen führte vom Waschbecken zu Justins Platz. Aber was hätte das gebracht? Das Kleid wäre dadurch auch nicht getrocknet. Außerdem starrte er mich feindselig an.
Seine zusammengekniffenen Augen sagten mir: Wehe, wenn du mich verpetzt …
Ich nickte leicht. Natürlich wäre ich lieber zu ihm gegangen und hätte ihm eine geknallt. Aber mutig sein, ist schwer, wenn dein Gegner kneift und spuckt und sich auch sonst an keine Regeln des menschlichen Zusammenlebens hält.
Doch Frau Monteli ist nicht dumm. Sie deutete meinen Blick richtig.
„Justin!“, rief sie und schüttelte den Kopf. „Ich bin entsetzt über dich! Komm nach vorne und entschuldige dich bei Amanda!“
Justin ließ die Fingerknochen knacken. Dann erhob er sich schwerfällig und schlurfte zur Tafel. Als er mit dem Rücken zur Lehrerin stand, durchbohrte er mich mit seinen kleinen Schweinsaugen.
Justin ist mindestens zwei Köpfe größer als ich und hat eine lange Narbe am Kinn – angeblich von einer Schlägerei mit drei Angreifern, die er zu Apfelmus verarbeitet hat.
„Das wirst du mir büßen!“, zischte Justin kaum hörbar. Dann quetschte er meine Hand mit solcher Kraft, dass ich ihm die Geschichte mit dem Apfelmus glaubte. „Entschuldigung!“, leierte er gelangweilt herunter.
Ich kniff die Augen fest zusammen und hoffte, richtig böse auszusehen. Dabei trieb mir der Schmerz einfach nur die Tränen in die Augen.
Es tat so höllisch weh, dass ich mich nicht einmal freuen konnte, als Frau Monteli noch sagte: „Nach der Schule kehrst du den Hof, Justin. Das soll dir eine Lehre sein.“
Bis die Schulglocke mittags läutet, dauert es immer viel zu lange. An meinem neunten Geburtstag war es besonders schlimm. Ich schickte Justin mit den Augen Giftpfeile, aber der Tölpel bemerkte es nicht einmal. Mein Kleid trocknete nur langsam. Und Laura und Anne wichen mir in den kleinen Pausen immer aus. Der Vormittag wollte und wollte nicht enden!
Als endlich Mittagszeit war, stopfte ich meine Hefte in den Rucksack und stellte mich den beiden in den Weg.
„Wann kommt ihr denn nachher?“, fragte ich.
Laura lief puterrot an. Lag es daran, dass Jill sie genau beäugte?
„Ich …“, stotterte Laura. Da wusste ich schon, was nun kommen würde. „Ich habe einen Zahnarzttermin, den ich leider nicht verschieben kann“, log sie. „Und Kuchen kann ich danach sowieso nicht mehr essen.“
Anne nickte. „Und ich muss mitgehen. Weil Laura eine Spritze bekommt. Damit sie auf dem Heimweg nicht umkippt …“
„Dann werde ich die harte Torte eben alleine essen!“, schleuderte ich den dummen Hühnern ins Gesicht. Ich drehte mich auf dem Absatz um und marschierte aus dem Raum.
Bei uns im Internat ist das so: Wenn man durch das Eingangstor reinkommt, steht man in der Halle. Links geht eine breite Treppe in den ersten Stock, wo wir wohnen. Rechts führt eine Tür in den Keller. Sie ist immer abgeschlossen und ich habe mich schon oft gefragt, was sich dahinter verbirgt.
Nach der Eingangshalle kommt der Flur mit den Klassenzimmern, von Klasse eins bis sechs. Hier gibt es auch ein Lehrerzimmer und den Raum von Doktor Habicht und seiner Sekretärin. Die älteren Schüler sind in einem anderen Haus untergebracht.
Ganz am Ende des Ganges liegt der Speisesaal. Das ist etwas umständlich. Wenn wir hungrig sind, müssen wir immer erst an den Klassenräumen vorbei. Wer frühmorgens noch nicht an den Unterricht erinnert werden will, kann natürlich auch durch den Haupteingang raus und um das Schulgebäude herumlaufen – das ist dann aber noch umständlicher.
An diesem Tag war mir der Appetit restlos vergangen. Ich wollte hoch in mein Zimmer und die Tür hinter mir zuschmeißen. Also war ich die Einzige, die Richtung Treppe ging. Alle rannten mir entgegen zum Speisesaal. Bald war der Gang leer.
Jetzt, wo mich keiner mehr beobachten konnte, ließ ich den Kopf hängen. Das sollte
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