Heimlich Fee 1: Wie eine Freundin in mein Leben purzelte (German Edition)
Justin war nun in einer anderen Ecke des Schulhofs und fegte immer noch. Wir haben einen sehr großen Hof, und viele Schüler wissen nicht, dass der Mülleimer längst erfunden wurde. Also lag viel Papier herum. Ich beschloss, Justin die nächsten dreißig Jahre lieber aus dem Weg zu gehen.
Gerade als ich mich vom Fenster abwenden wollte, passierte etwas Merkwürdiges: Justin stellte sich einem Erstklässler breitbeinig in den Weg und redete auf ihn ein. Kurz darauf riss er ihm den Ranzen vom Rücken und kippte ihn aus.
Doch das war nicht das Merkwürdige, was ich meine. Justin terrorisiert jeden, das ist wirklich nichts Neues. Das Merkwürdige war, dass ich aus meinem Zimmer rannte, um dem Kleinen zu helfen. Das Würstchen war vollkommen eingeschüchtert und traute sich nicht mal zu atmen, das hatte ich auch aus der Ferne sehen können.
Als ich eine Minute später auf dem Schulhof ankam, hatte Justin den Kleinen mit seinen riesigen Pranken am Kragen gepackt und schüttelte ihn.
Panisch durchwühlte der Junge die Taschen seiner Hose, kramte einen Geldschein hervor und gab ihn Justin.
Wild entschlossen stampfte ich auf Justin zu. Dieser Kerl hatte mir den Geburtstag versaut, meine neuen Kleider verspottet. Der sollte was erleben!
„Lass sofort den Kleinen in Ruhe!“, schrie ich über den halben Hof.
Ob ihr’s glaubt oder nicht, der Halbaffe setzte den Jungen tatsächlich ab. Langsam drehte er den Kopf zu mir. Einen Augenblick lang sah er mich verwirrt an. Dann begann er schallend zu lachen.
„Du bist wohl lebensmüde!“, donnerte er mir entgegen. Schwungvoll ließ er seine Faust in die offene Hand sausen.
Ich stand jetzt nur noch drei Schritte von ihm entfernt. Mein Atem rasselte von der Rennerei. Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer. Aber mein Blick war fest wie Stein. Ich wich keinen Zentimeter von der Stelle.
Hinter Justin stopfte der Kleine hastig seine Hefte und Stifte zurück in den Ranzen. Er wollte so schnell wie möglich verschwinden.
„Halt!“, brüllte Justin und wandte sich zu ihm um. „Ich bin noch nicht fertig mit dir!“
Das hätte er nicht tun sollen. Mit drei schnellen Bewegungen schlang ich den giftgrünen Schal um Justins Handgelenke. Als hätte Frau Bitz ihn mir nur dafür geschenkt. So verknotet, konnte nicht einmal mehr dieser Halbaffe einem Erstklässler Angst einjagen. Seelenruhig griff ich in seine Hosentasche und gab dem Kleinen den Geldschein zurück.
„Tu das nie, nie wieder!“, schnauzte ich Justin an. Dann stiefelte ich einfach davon.
Justin zog und zerrte an dem Schal. Aber er bekam ihn erst ab, als ich schon längst wieder auf meinem Zimmer war. Und er hatte noch eine Menge zu fegen.
Niemand ist unbesiegbar, wenn das Recht auf deiner Seite ist.
Obwohl der Geburtstag lauter Enttäuschungen für mich bereitgehalten hatte, ging er doch schön zu Ende. Während ich mit Emma chattete, lag Jill auf ihrem Bett und tat so, als sei ich nicht da.
Ich: Wenn die Pute wüsste, was ich hier schreibe, wäre sie nicht so ruhig.
Emma: Puten sind eigentlich ganz hübsche Tiere, fällt dir nichts Passenderes für sie ein?
Ich: Ihrem Bruder habe ich’s auf jeden Fall richtig gegeben. Auch wenn ich in den nächsten Tagen bestimmt die Antwort darauf bekomme.
Emma: Dann antwortest du eben auf die Antwort!
Ich bin stolz auf dich und vermisse dich!
Ich: Und ich dich erst! Was kostet ein Flugticket von dir zu mir?
Emma: Zu viel für unser Sparschwein. Jetzt schlaf gut, ich muss zur Schule! Kuss und Umärmelung.
Ich: Neun Küsse zurück. Du bist die beste Freundin der Welt.
Emma: Frechheit! Du meinst wohl des Universums!
Nach dem Chatten sortierte ich die Fotos, die Emma mir geschickt hatte, und machte den Laptop aus.
„Na endlich!“, seufzte Jill.
Ich ging noch in den Waschraum. Als ich zurückkam, lag meine Kette nicht mehr so auf dem Nachttisch, wie ich sie hingelegt hatte. Jill musste an ihr herumgefummelt haben. Also tat ich die Kette an den einzigen Platz, wo sie vor übereifrigen Fingern sicher war: Ich hängte sie mir um den Hals.
In dieser Nacht hatte ich den merkwürdigsten Traum meines Lebens. Und alles wirkte so real, dass ich es fühlen, schmecken und riechen konnte.
Der Traum handelte hauptsächlich von mir. Er begann damit, dass ich mit großen Sprüngen einen Hügel hinunterrannte. Das pinkfarbene Kleid umwehte mich zart wie ein Nebelhauch. Und das Gras unter meinen nackten Füßen war feucht vom Tau.
Ich spürte ganz deutlich, dass ich mich auf
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