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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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damit gerechnet, mit einem ehemaligen Kollegen über die Vergangenheit zu plaudern. »Ich hab’ den falschen Mann geschnappt, Reuben, und die Polizei hat mich schlecht aussehen lassen, um die Last von sich zu halten. Das ist alles.«
    Reuben nahm es mir nicht ab. »Ich geb’ mich mal vorläufig damit zufrieden, Mann«, sagte er skeptisch, »aber was ist los? Soll ich dir einen Gefallen tun?«
    »Stimmt. Stimmt. Ich brauch’ jemand, der für mich mal im Register was nachschlägt.« Reuben seufzte. »Arbeitest du jetzt als Amateur?«
    »Irgendwie schon. Bist du soweit?«
    »Schieß los.«
    »Marcella Harris, weiß, weiblich, 43 Jahre alt.«
    »Ist das nicht die tote Dame von...«
    »Ja«, fiel ich ein. »Kannst du sie mal überprüfen und mir sobald wie möglich Bescheid geben?«
    »Du verrückter Hund«, sagte Reuben und hing auf.

    Das Telefon klingelte fünfundvierzig Minuten später, ich sprang nach ihm und bekam es noch beim ersten Klingeln zu fassen.
    »Fred? Reuben. Nimm einen Bleistift.«
    Ich hatte schon einen in der Hand. »Schieß los, Reuben.«
    »Okay. Marcella Harris. Mädchenname DeVries, geboren in Tunnel City, Wisconsin, am 15. April 1912. Grüne Augen, rote Haare, 1,70cm groß, 125 Pfund, Krankenschwester, Dienst bei der Marine 1941 bis 1946, als Lieutenant entlassen. Ziemlich beeindruckend, was? Und jetzt kommt’s: 1948 Verhaftung wegen Besitzes von Marihuana. Klage abgewiesen. 1950 Verhaftung wegen des Verdachts auf Hehlerei. Klage abgewiesen. 1946 zweimal wegen Trunkenheit festgenommen, einmal 1947, dreimal 1948, einmal 1949 und 1950. Ganz nett, was?«
    Ich pfiff. »Ja. Interessant.«
    »Was hast du mit diesen Informationen vor, Mann?«
    »Ich weiß nicht, Reuben.«
    »Sei vorsichtig, Freddy, mehr kann ich dazu nicht sagen. Irgendeine Schnepfe ist in El Monte erwürgt worden, und... Freddy, das hat mit den anderen Geschichten nichts zu tun. Das ist aus und vorbei, Mann.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Sei vorsichtig. Du bist kein Bulle mehr.«
    »Danke, Reuben«, sagte ich und hing ein.

    Am nächsten Morgen stand ich früh auf, zog einen leichten Anzug an und fuhr auf dem Santa Maria Freeway nach El Monte. Ich fuhr vom smogverhangenen Los Angeles am pittoresk-schäbigen Boyle Heights und einer Reihe trostloser, halbverarmter Vororte vorbei und wurde immer erwartungsfroher, als eine aufblühende Nachkriegssiedlung nach der anderen an mir vorüberflog. Das war neues Territorium für mich, zwar noch innerhalb der Grenzen des Los Angeles County, aber irgendwie eine ganz andere Welt. Die Wohnstraßen, die ich von meinem Aussichtspunkt erblicken konnte, schienen düster in ihrer Gleichheit, der Nachkriegsaufschwung schien hier aus Enttäuschung und Unbehagen zu bestehen.
    El Monte lag mitten in das San Gabriel Valley geklatscht und war von Autobahnen umschlossen, die in alle Richtungen führten. Die Berge von San Gabriel waren vom Smog überflutet und grenzten im Norden an die Stadt.
    Ich nahm die Ausfahrt Valley Boulevard und fuhr nach Westen, bis ich ›Hanks Hot Spot‹ fand, der von den Zeitungen als »fröhliche Tränke« beschrieben worden war. So sah er aber nicht aus; er sah eher aus wie das, was er wahrscheinlich war: ein Treffpunkt für einsame Säufer.
    Ich hielt an. Das Lokal war schon um 8.30 Uhr morgens geöffnet. Das war ermutigend. Das paßte in das Drehbuch, das ich mir in Gedanken schrieb: Maggie Cadwallader und Marcella Harris, einsame Säuferinnen. Ich wischte den Gedanken weg: Nicht denken, Underhill, sagte ich zu mir, als ich den Wagen verschloß, oder diese Geschichte - die wahrscheinlich ganz zufällig ist - wird dich verschlingen.
    Ich legte mir hastig eine Geschichte zurecht, als ich an der engen Bar aus imitiertem Holz Platz nahm. Das Lokal war leer, und ein einsamer Barkeeper, der bei meinem Eintritt Gläser polierte, näherte sich mir vorsichtig. Er legte eine Serviette auf die Bar und nickte mir zu.
    »Ein Bier vom Faß«, sagte ich.
    Er nickte wieder und brachte es mir. Ich trank. Es schmeckte bitter; ich war nicht als morgendlicher Trinker geschaffen.
    Ich wollte keine Zeit durch loses Gerede verlieren. »Ich bin Reporter«, sagte ich. »Ich schreibe über Kriminalfälle, die mit der Menschliches-Interesse-Masche gestrickt sind. Vierzig Dollar sind drin für jeden, der was Vertraulich-Interessantes über diese Marcella Harris ablassen kann, die letztes Wochenende abgemurkst wurde.« Ich holte meinen Geldbeutel, der voller Zwanziger war, raus und wedelte dem Barkeeper damit

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