Heimlich
halbe-halbe, aber ich würde für alles aufkommen, außer für Night Train. Lorna mochte ihn einigermaßen, fand aber meine noble Geste an Wacky und die Vergangenheit obszön. Sie war der Ansicht, Hunde gehörten auf eine Farm. »Und das Biest ist deine Last«, sagte sie immer, wenn wir unseren Bürokram erledigt hatten.
Eines Tages im Frühjahr 1955 machte sie ihre Witze nicht wie gewohnt. Sie war abwesend und verärgert an jenem Tag. Als ich sie ansah und ihr ein Stichwort geben wollte, warf sie mir einen Haufen Papier ins Gesicht und schrie: »Es ist so gottverdammt leicht für dich! Gottverdammt, wie kannst du nur mit dir leben? Weißt du, wie hart ich arbeiten muß, um mein Geld zu verdienen? Weiß du das, Freddy, gottverdammt? Findest du es nicht schlimm, daß ich acht Jahre auf die Universität gegangen bin, um Anwältin zu werden und den Leuten zu helfen, während alles, was du tust, darin besteht, einen Hammer zu schwingen und Golfbälle zu schlagen? Du gottverdammter Schnorrer!«
Zum ersten Mal empfand ich mein Ehegelöbnis als Last. Ich merkte, ich könnte niemals der Mann sein, den Lorna wollte. Und zum ersten Mal war es mir egal, weil die Lorna des Jahres 1955 nicht die Lorna war, die ich 1951 geheiratet hatte. Es juckte mich, alles abzubrechen und alles in die Luft zu jagen.
Als meine Liebe zu Lorna in diesen ärgerlichen, schrecklichen Stau kam, wühlte mich etwas auf, was ich nur das Wunder nennen konnte. Das Wunder.
Jahre waren vergangen. Mit dem Ende des Koreakrieges und der Absetzung von Joe McCarthy wurde das politische Klima im Lande ein bißchen besser. Die Zeit schien neue Wunden bei mir aufzureißen und meine alten zu heilen. Wenn Lorna der Ersatz für das Wunder war, dann war jetzt vielleicht die Zeit, die Dinge wieder umzukehren.
Ich wußte, daß ich nie wieder als Polizist würde arbeiten können, also bewarb ich mich um eine Lizenz als Privatdetektiv im Staate Kalifornien. Ich wurde abgelehnt. Ich bewarb mich als Versicherungsdetektiv bei über dreißig Versicherungsgesellschaften und wurde von allen abgelehnt. Also schlug ich weiterhin Tausende von Golfbällen und rief mir die Dreieinigkeit meiner Jugend zurück: die Arbeit bei der Polizei, Golf und Frauen. Frauen. Das Wort allein biß mich wie ein Raubtier aus dem Dschungel und erfüllte mich mit giftiger Schuld und Erregung.
Eines Nachts ging ich in eine Bar in Ocean Park und machte eine Frau an. Der alte Schmäh und die alten Tricks funktionierten immer noch. Ich nahm sie mit in ein Motel in der Nähe meiner alten Wohnung in Santa Monica. Wir liebten uns und redeten. Ich erzählte ihr, daß meine Ehe am Ende wäre. Sie hatte Verständnis; ihr war es auch so ergangen, und jetzt »nahm sie, was sie kriegen konnte«.
Am Morgen fuhr ich sie zu ihrem Wagen, dann fuhr ich heim zu meiner Frau im Laurel Canyon. Sie fragte mich nicht, wo ich die ganze Nacht gewesen war. Das brauchte sie nicht.
Ich tat es immer wieder und kostete die Kunst und die Technik aus, für kurze Zeit in ein anderes einsames Leben einzudringen. Lorna wußte es natürlich, so befanden wir uns in einem stillen Zermürbungskrieg: Gespräche von übertriebener Höflichkeit, komische Liebesversuche und stille, gegenseitige Vorwürfe.
Unerklärlicherweise hörte meine Schürzenjägerei so abrupt auf, wie sie begonnen hatte. Ich saß irgendwo in einer Bar und trank ein Bier und sah mir die Kellnerinnen an, als ich von der gleichen, unheimlichen Stille überfallen wurde, die an dem Tag, an dem ich meinen Dienst quittiert hatte, in dem Bewässerungsfeld über mich gekommen war. Dieses Mal brach ich nicht zusammen, ich wurde nur durchströmt von einem unglaublichen, unaussprechlichen Gefühl, das ich nur als Leere bezeichnen kann.
Ich versuchte, es Lorna zu erklären: »Ich kann’s dir nicht erklären, Lorna. Es ist ein Gefühl, wie, nun, es ist mystisch, wahrhaftig, phantastisch, es ist viel größer als wir oder irgendwas. Es ist ein Gefühl der Verpflichtung, Verpflichtung zu irgend etwas sehr Vagem, aber es ist anständig und gut. Und es ist nicht das Wunder.«
Lorna schnaubte. »O Gott, Freddy. Wirst du jetzt religiös?«
»Nein, das ist es nicht. Es ist ganz anders.«
Ich suchte nach Worten und Gesten, fand aber keine. Ich sah Lorna an, die zuckte nur verächtlich die Schultern.
In der folgenden Woche fand ich heraus, daß Lorna einen Liebhaber hatte. Er war ein älterer Mann, einer der Partner in ihrer Anwaltskanzlei. Ich sah sie in einem Restaurant in
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