Heimlich
langsam wütend. Als ich in mein Versteck zurückkroch, bekam ich am linken Rand meines Gesichtskreises flüchtig ein Paar Hosenbeine zu sehen. Drei Schüsse knallten, und der Dreck spritzte mir ins Gesicht. Ich wälzte mich zum Gewehr hin, als ich sah, wie ein Mann auf mich zielte. Undeutlich erkannte ich Doc Harris. Ich rollte noch und war bis auf ein paar Zentimeter an mein Gewehr herangekommen, da feuerte er zwei Schüsse aus zehn Meter Entfernung auf mich ab. Der erste Schuß ging knapp daneben; der zweite streifte meinen Kopf an der Seite. Ich ließ meine 38er fallen und verschenkte so kostbare Sekunden. Doc Harris sah das und zielte auf mich. Er drückte den Abzug, und es klickte nur. Aschfahl stürzte er sich auf mich und trat mir ins Gesicht, gerade, als ich meine 38er zu fassen bekam. Dadurch feuerte ich dreimal in die falsche Richtung.
Er warf sich auf meinen Arm und packte mein Handgelenk mit beiden Händen. Vorsichtshalber feuerte ich die restlichen Patronen auch in den Dreck. Das machte ihn wütend, und er stieß mir sein Knie in die Leistengegend. Ich schrie und kotzte ihm aufs Hemd. Instinktiv faßte er hin, um es wegzuwischen, und entlastete dadurch den Druck auf meiner Brust. Ich konnte mich ihm ein Stück entwinden und nach meinem Gewehr greifen. Gerade als ich den Kolben zu fassen bekam, attackierte Harris mich erneut. Kraftlos schlug ich nach ihm und streifte ihn am Kinn. Er faßte nach dem Abzug, um einen Schuß in meine Richtung abzugeben, aber meine Hand hielt den Abzugsbügel fest umklammert. Wir rollten gegen einen Baumstumpf, und ich versuchte, Harris dort festzuquetschen, indem ich ihm den Kolben auf die Brust hieb. Vergeblich; er war zu stark. Ich legte meinen Finger um den Abzug und drückte ab. Das Gewehr ging los, sein Lauf schlug aus und traf Harris ins Gesicht. Einen winzigen Augenblick lang geriet er in Panik, lockerte seinen Griff und blickte entgeistert.
Es gelang uns beiden aufzustehen. Harris hatte seinen Griff wieder verstärkt, dann sah er ein, daß es sinnlos war, und ließ los, was mich zu Fall brachte. Er lächelte durch seine gebleckten Zähne auf mich herunter und zog ein Schnappmesser aus seiner Gesäßtasche. Er drückte den Knopf auf dem Griff, und eine glänzende, scharfe Klinge sprang hoch. Er näherte sich mir. Ich versuchte gerade, auf die Beine zu kommen, da sah ich, wie Larry Brubaker sich von hinten mit einem Wagenheber in der Hand an ihn heranschlich. Harris war bis auf einen Meter an mich herangekommen, da ließ Brubaker den Wagenheber mit voller Wucht auf seinen Schultern niedergehen. Harris ging vor meinen Füßen zu Boden und war still.
Brubaker half mir hoch. Ich prüfte Harris’ Puls, der normal ging. Dann hob ich die beiden Pistolen von ihrer Ruhestatt auf. Harris hatte einen 32er Colt. Ich steckte ihn in meine Gesäßtasche, lud meine 38er nach und verstaute sie in meinem Gürtel. Brubaker kniete sich über Harris, strich ihm über sein dichtes, graues Haar und starrte ihn mit einer Mischung aus Sehnsucht und Erstaunen an.
Ich ging zu ihm hin. »Hol die Spritze aus dem Handschuhfach, Larry. Auf dem Vordersitz ist ’ne Papiertüte, in der ist ’ne Flasche Wasser, ein Löffel, Streichhölzer und ’ne kleine Phiole. Bring alles mit.«
Brubaker nickte und ging zum Wagen.
Ich schleifte Doc Harris zu einem großen Baum und lehnte ihn mit dem Rücken dagegen. Ich schaffte es kaum: Meine Arme waren taub vor Anstrengung, und in meinem Kopf lärmte es infolge des Streifschusses. Brubaker kam mit der Papiertüte zurück.
»Du weißt, wo der Stoff vergraben ist«, sagte ich.
»Ja, Mann«, sagte Brubaker ganz leise.
»Hol mal ’ne Handvoll. Eine große Handvoll. Und dann kochst du für Doc ein Süppchen.«
Einen Augenblick, nachdem Brubaker gegangen war, erwachte Harris. Als seine Lider zuckten, zog ich meine 38er und richtete sie sorgfältig auf ihn. »Hallo, Doc«, sagte ich.
Harris lächelte. »Hallo, Underhill. Wo ist Larry?«
»Er holt gerade ’ne kleine Überraschung für dich.«
»Armer Larry. Was soll er jetzt machen? Wem wird er folgen? Er hat nie jemand anderes gehabt.«
»Er wird’s überleben. Michael auch.«
»Michael mag dich, Underhill.«
»Ich mag Michael.«
»Gleich und gleich... Wir sind beide Renaissance-Männer. Michael steht auf Renaissance-Männer.«
»Was hast du mit ihm gemacht?«
»Ich hab’ ihm Geschichten erzählt. Ich hab’ ihm mit drei Jahren das Lesen beigebracht. Er hat einen unglaublichen
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