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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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hatten, konnte ich sehen, daß dieses Lokal eher ein Fleischmarkt war als die Tankstelle der Gegend. Die Männer machten sich an die Frauen ran, neben denen sie saßen. Ihre Gesten waren tölpelhaft, und die Frauen taten so, als seien sie an geistreichem Kumpelgetue interessiert. Ich bestellte mir einen doppelten Scotch mit Soda und trug ihn rüber zu einer Reihe von dunklen Nischen an der Wand. Ich suchte mir die einzig leere aus. Meine Beine waren so lang, daß ich sie mir dauernd am Tisch stieß. Also legte ich sie auf, schlürfte meinen Drink, versuchte lässig dreinzuschauen und blieb auf der Hut, die Augen auf der Bar und dem Eingang.
    Eine Stunde und zwei Drinks später sah ich eine hübsche Frau an die Bar gehen. Sie war honigblond und etwa Mitte Dreißig. Sie kam zögernd rein, als wäre dieser Ort ihr nicht vertraut oder gar feindselig.
    Ich schaute ihr zu, wie sie an der Bar Platz nahm. Der Barkeeper war irgendwo anders beschäftigt, also wartete die Frau darauf, bedient zu werden und fummelte an ihrem Täschchen herum. Neben ihr war ein leerer Hocker, und auf den steuerte ich zu. Ich nahm Platz, und die Frau drehte sich zu mir um.
    »Hi«, sagte ich, »ziemlich lebhaft heute abend. Der Ober wird spätestens Dienstag nachmittag hier sein.« Die Frau lachte, wobei sie ihr Gesicht leicht abwandte. Ich konnte sehen, warum: Sie hatte schlechte Zähne und sie wollte reizend wirken, ohne sie zu zeigen. Es war die erste zärtliche Geste dieses Abends, der - wie ich hoffte - voll davon sein würde.
    »Das ist ein ganz nettes Lokal, oder?« fragte sie. Sie hatte eine nasale Stimme und einen leichten Midwest-Akzent.
    »Find’ ich auch. Besonders an einem Abend wie heute.«
    »Brrr«, sagte die Frau. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich war noch nie hier, aber ich fuhr in ’nem Taxi vorbei, und das sah hier so warm und einladend aus, daß ich einfach reingehen mußte. Waren Sie schon mal hier?«
    »Nein, ich bin auch das erste Mal hier. Aber verzeihen Sie bitte meine schlechten Manieren. Ich heiße Bill Thornhill.«
    »Ich heiße Maggie. Maggie Cadwallader.«
    Ich lachte. »Mein Gott, unsere Namen sind so solide wie eine Reise nach Großbritannien.«
    Maggie lachte. »Ich bin ein schlichtes Bauernmädchen aus Wisconsin.«
    »Und ich bin nur ein Großstadt-Depp.«
    Wir blieben beim Lachen. Es war ein gutes Lachen. Wir spielten unsere Rollen mit Natürlichkeit und auch Raffinesse. Der Kellner kam, und ich bestellte ein Bier für mich und einen Cocktail für Maggie. Ich zahlte. »Wie lange leben Sie schon in L.A., Maggie?« fragte ich.
    »Oh, schon seit Jahren. Und Sie, Bill?« Durch dieses weitere Zeichen der Vertrautheit wußte ich, daß es klappen würde. Ich spürte eine Welle der Erleichterung und Hitze in mir.
    »Zu lange, glaube ich. Ich bin tatsächlich hier geboren.«
    »Einer der wenigen! Aber ist es nicht toll hier? Manchmal glaub’ ich, ich lebe hier, weil hier alles passieren kann, verstehen Sie? Du gehst die Straße lang, und plötzlich passiert was Verrücktes, was Wunderbares, einfach so.« Das Wunder in einer Nußschale. Ich fing an, sie zu mögen.
    »Ich weiß genau, was Sie meinen«, sagte und meinte ich auch. »Manchmal glaube ich, genau das hält mich davon ab, von hier wegzuziehen. Die meisten kommen hierher wegen des Glanzes und der Filme. Ich bin hier geboren, ich weiß, daß das ein großer Blödsinn ist. Ich bleib’ hier wegen des großen Rätsels.«
    »Das haben Sie aber schön gesagt! Das große Rätsel!« Maggie drückte meine Hand. »Augenblick mal«, sagte sie, als sie austrank, »lassen Sie mich raten, was Sie machen. Sind Sie ’n Sportler? Sie sehen jedenfalls wie einer aus.«
    »Nee. Raten Sie noch mal.«
    »Hmmm. Sie sind so groß. Arbeiten Sie an der frischen Luft?«
    »Keine Tips. Noch mal raten.«
    »Sind Sie Schriftsteller?«
    »Nein.«
    »Geschäftsmann?«
    »Nein.«
    »Rechtsanwalt?«
    »Nein.«
    »Ein Filmstar?«
    »Haha! Nein.«
    »Feuerwehrmann?«
    »Nein.«
    »Ich geb’s auf. Sagen Sie mir, was Sie machen, und ich sag’ Ihnen, was ich mache.«
    »Okay, aber bereiten Sie sich auf eine Enttäuschung vor. Ich verkaufe Versicherungen.« Ich sagte das mit einer gespielten jungenhaften Bescheidenheit und Resignation. Maggie war entzückt.
    »Was ist denn da so schlimm dran? Ich bin nur ’ne Buchhalterin! Was wir machen, ist nicht das, was wir sind, stimmt’s?«
    »Nein«, log ich.
    »Also!« Maggie drückte meine Hand ein zweites Mal.
    Ich winkte dem Kellner, und der

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