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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Wilshire-Wache. Tiefflorige Teppiche gingen hier von Wand zu Wand, und an eichengetäfelten Wänden hingen die Porträts der Clubgrößen. Die Gespräche drehten sich hier um Filmkäufe und Geschäftsabschlüsse, Golf kam erst an dritter Stelle. Ich fühlte mich irgendwie nicht besonders wohl hier, daher duschte ich rasch, zog mich an und hielt Ausschau nach Big Sid.
    Ich entdeckte ihn im Speisesaal, er saß an einem Tisch in der Nähe des großen Panoramafensters, von dem aus man auf das achtzehnte Grün sah. Er unterhielt sich mit einer Frau; sie hatte mir ihren Rücken zugewandt, als ich mich dem Tisch näherte. Irgendwie spürte ich, daß sie Klasse hatte, daher strich ich mir übers Haar und zupfte mein Taschentuch zurecht, während ich auf sie zuging.
    Big Sid sah mich kommen. »Freddy-Baby!« dröhnte er. Er tippte der Frau leicht auf die Schulter. »Liebling, das ist mein neuer Golfpartner, Freddy Underhill. Freddy, das ist meine Tochter Lorna.«
    Die Frau drehte sich um und schaute mich an. Sie lächelte verwirrt. »Mr. Underhill«, sagte sie.
    »Miss Weinberg«, antwortete ich.
    Ich setzte mich. Ich hatte recht gehabt: Die Frau hatte Klasse. Wo Siddell Weinberg die ausladenden Züge ihres Vaters geerbt hatte, stellte Lorna eine subtile Ausgabe dar: Ihr Haar war eher hellbraun als rot, ihre braunen Augen eher blaß und kristallen als stumpf. Sie hatte Big Sids spitzes Kinn und seinen sinnlichen Mund, aber in einer weicheren, gedämpften Form. Ihre Nase war groß, aber schön; sie erfüllte ihr Gesicht mit Intelligenz und einer gewissen Kühnheit. Sie trug kein Make-up. Sie hatte einen Tweedanzug über einer weißen Seidenbluse an. Ich konnte sehen, daß sie groß und schlank war, und daß ihre Brüste für ihren Körperbau sehr üppig waren.
    Ich wollte sie sofort kennenlernen. Gerade konnte ich eine schmalzige Anwandlung, ihre Hand zu nehmen und zu küssen, unterdrücken, da mir klar war, daß sie von so einer Geste nicht entzückt sein würde. Statt dessen nahm ich ihr direkt gegenüber Platz, von wo ich den Blickkontakt halten konnte.
    Big Sid knallte mir so heftig auf den Rücken, daß mein Kopf beinahe auf das leinene Tischtuch schlug. »Freddy-Baby, wir haben sie vernichtet! Vierhundertfünfzig Eier!« Big Sid beugte sich vor und erklärte seiner Tochter: »Freddy ist mein neuer Anschaffer. Und umgekehrt. Was für ’n Auftritt!«
    Lorna Weinberg lächelte. Ich lächelte zurück. Sie tätschelte ihres Vaters Hand und sah ihn voll ärgerlicher Zärtlichkeit an. »Vater ist ein Fanatiker, eine Person, die ständig übertreibt. Er liebt es, Leute mit einfachsten Redewendungen zu klassifizieren. Sie müssen ihm verzeihen.« Das sagte sie liebevoll, aber auch ein bißchen herablassend, um mich herauszufordern.
    Big Sid lachte, aber ich nahm die Herausforderung an. »Das ist eine aufschlußreiche Interpretation, Miss Weinberg. Sind Sie Psychologin?«
    »Nein, ich bin Juristin. Und Sie?«
    »Ich bin Polizist.«
    »In Los Angeles?«
    »Ja.«
    Lorna lächelte zurückhaltend. »Sind Sie bei Ihrer Arbeit so gut wie beim Golf?«
    »Noch besser.«
    »Dann sind Sie eine doppelte Bedrohung.«
    »Das ist ’ne Redewendung, an der Sie lieber noch ein bißchen schleifen sollten.«
    »Touché.« Lorna Weinbergs Augen durchbohrten mich förmlich. Sie tanzten mit einer bitteren Heiterkeit. »Ich arbeite als Stellvertreterin des Staatsanwalts von Los Angeles. Wir haben denselben Arbeitgeber. Ich würde lieber als Verteidiger arbeiten, aber der Ball ist rund, wie Daddy sagen würde. Ich hab’ jeden Tag mit Polizisten zu tun - und ich mag sie nicht. Die sehen zu wenig und verhaften zu oft. Wen sie nicht verstehen oder akzeptieren können, den verhaften sie oder prügeln ihn durch. Die Gefängnisse von Los Angeles sind voll von Leuten, die da nicht hingehören. Ich muß die Fälle für das Schwurgericht vorbereiten. Ich wate durch Tonnen von Berichten, die übereifrige Kriminalbeamte geschrieben haben. Ehrlich gesagt, verstehe ich mich als Aufpasserin auf verhaftungswütige Polizeireviere. Deswegen bin ich laufend unter dem Beschuß meiner Kollegen, aber die respektieren mich, weil ich verdammt gut bei meiner Arbeit bin und ihnen eine Menge Arbeit abnehme.«
    Ich inhalierte das alles und versuchte ein ironisches Grinsen: »Also, Sie mögen keine Cops«, sagte ich. »Na wenn schon. Die meisten Leute mögen keine. Hätten Sie lieber Anarchie? Darauf gibt’s nur eine Antwort, Miss Weinberg. Dies ist nicht die beste aller

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