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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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und setzte mich hin, um einen kurzen Lebenslauf von Wacky zu verfassen, den ich zusammen mit seiner Lyrik einigen Verlegern zuschicken wollte.
    Ich schrieb: »Herbert Lawton Walker wurde 1918 in Saint Louis, Missouri, geboren. 1942 schrieb er sich im United States Marine Corps ein. 1943 wurde ihm die Cogressional Medal of Honor verliehen, als er auf dem pazifischen Kriegsschauplatz diente. 1946 zog er nach Los Angeles, Kalifornien, und trat 1947 in das Los Angeles Police Department ein. Er wurde von einem Gangster am 18. Februar 1951 erschossen. Von 1939 bis zum Zeitpunkt seines Todes schrieb er Lyrik, die wegen ihrer humorvollen Beschäftigung mit dem Tod einzigartig ist.«
    Ich lehnte mich zurück und dachte: Ich könnte die ganzen Stapel durchgehen und die besten Sachen auswählen. Ich könnte auch eine Autorität auf dem Gebiet der Lyrik anheuern und sie die besten Sachen auswählen lassen, um die dann an Verleger und Literaturzeitschriften zu schicken. Vielleicht hatte Big Sid einige Freunde in der Verlagsbranche, mit denen ich ins Geschäft kommen könnte. Wenn alles schiefging, könnte ich immer noch Wackys gesammelte Werke drucken und von einem Kleinverlag vertreiben lassen. Es mußte etwas geschehen.
    Aber es schien mir nicht genug. Ich mußte Buße tun. Dann hatte ich plötzlich eine Idee. Ich schnappte meinen Golfsack aus dem Schlafzimmer und trug ihn zusammen mit Wackys in meinen Wagen.
    Immer noch in Uniform, fuhr ich den ganzen weiten Weg nach East Los Angeles und hielt am Rande der betonierten Kloake, die manche liebevoll den Los Angeles River nennen. Ich schaute in die Brühe zehn Meter unter mir. Das Wasser war hier rund sechs Fuß tief und floß rasch in Richtung Süden. Ich wartete auf ein Aussetzen des Regens und nutzte die Zeit zum Nachdenken und Grübeln über das Wunder des Todes, von dem Wacky immer gesprochen hatte. Ich wartete lange Zeit. Als der Regen endlich nachließ, wurde es schon dunkel. Ich hievte die beiden Golfsäcke bis an den Rand des zementierten Ufers und warf sie in das mit Abfällen vermischte Wasser. Dann beobachtete ich das Knäuel aus Eisen, Holz und Leder, das sich südwärts aus meinem Gesichtskreis entfernte. Mit ihm verschwanden tausend Träume und Illusionen. Es war das Ende meiner Jugend.

2 TOD DURCH ERWÜRGEN
6
    Wacky Walker schaffte es nie, zur Wache auf der 77. Straße in Watts zu kommen, dem dunklen Herzen von Los Angeles. Aber ich.
    Beckworth saß seine Zeit ab, und im Juni, als Captain Larson nach 33 Jahren Dienst mit gedämpften Fanfaren verabschiedet wurde, erhielt ich meinen Marschbefehl: Officer Frederick U. Underhill, Nr. 1647, wird wegen Personalmangels auf das Revier 77. Straße versetzt.
    Was eigentlich ein Witz war: Der Laden in der 77. Straße quoll vor Leuten über. Das alte, rote Backsteingebäude, das in einer Gegend der Stadt stand, die die höchste Verbrechenskonzentration aufwies, war hoffnungslos überbesetzt mit Cops. An allem anderen jedoch, das der Verbrechensbekämpfung dient, herrschte großer Mangel, vom Toilettenpapier bis zur Fingerabdrucktinte. Es gab zu wenig Stühle, Tische, Flure, Umkleideschränke, Seife, Besen, Mops, sogar Schreibgeräte fehlten. An Gefangenen jedoch herrschte keinerlei Mangel. Tag und Nacht zog ein nicht abreißender Strom von Einbrechern, Taschendieben, Rauschgiftsüchtigen, Betrunkenen, prügelnden Ehemännern, Kneipenschlägern, Zuhältern, Nutten, Perversen und Verrückten durch das Haus.
    Die 15 Zellen für je vier Mann waren jeden Tag mindestens mit der doppelten Zahl von Leuten belegt, am schlimmsten war es an den Wochenenden. Die Besoffenen wurden auf die Straße geworfen, gewöhnlich kamen sie ein paar Stunden später schon wieder, und alle, die gegen irgend etwas verstoßen hatten, wurden gegen ihre Unterschrift wieder entlassen - zurück blieb ein kleiner Hexenkessel von einem Gefängnis, der mit mindestens 100 heulenden Schwerverbrechern besetzt war, stündlich kamen weitere dazu.
    Bei meinem ersten Abendappell kam ich mir vor wie ein Pygmäe auf einer Versammlung von Monstern. Obwohl 1,88 Meter groß und 170 Pfund schwer, war ich eine Krabbe, ein Zwerg, ein Liliputaner im Vergleich zu den Hormonmonstern, mit denen ich Dienst tat. Die waren alle aus dem gleichen Holz geschnitzt: Veteranen des Zweiten Weltkriegs aus dem Süden oder Mittelwesten, die schlechte Schulabschlüsse und hervorragende Bodybuilding-Ergebnisse erzielt hatten. Alle haßten sie Neger, und alle schienen 100 ausgefallene Ausdrücke

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