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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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seine Kanone fallen und schrie »Freddy!« dann fiel er hintenüber.
    Ich schrie. Der Mann auf dem Pflaster hob seine Pistole und schoß viermal wild drauflos. Die Schüsse landeten in der Hauswand über mir, einer verfehlte mich nur knapp. Ich verdrückte mich in den Laden und lud nach. Hinter mir schrien ein alter Mann und eine Frau.
    Ich blickte nach draußen. Wacky lag reglos auf dem Gehsteig. Der Schütze in der Gosse schien tot zu sein. Und der, der Wacky erschossen hatte, robbte sich auf seinen Lastwagen zu. Er hatte mir den Rücken zugedreht, deshalb eilte ich nach draußen und brachte Wacky in Sicherheit. In dem Laden riß ich seine blutüberströmte Uniform auf und legte mein Ohr auf seine Brust. Nichts.
    »Nein, nein, nein, nein, nein, nein!« stammelte ich. Zitternd griff ich nach seinem Handgelenk, um ein Lebenszeichen zu spüren. Nichts. Ich sah in Wackys Gesicht. Seine Augen waren geschlossen. Ich zog die Lider hoch. Seine Augen waren erfroren und erstarrt in ihrer letzten Vision des Schreckens und des Zweifels. Ich hob Wacky hoch, um ihn zu umarmen. Als ich seinen Kopf in meinen Armen wiegte, ging sein Mund auf und eine Welle von Blut spritzte auf meine Brust. Ich schrie und rannte nach draußen.
    Der überlebende Killer kroch immer noch auf die Straße zu. Ich näherte mich ihm von hinten, drehte mich um und kickte ihm die 45er aus der Hand. Ich richtete meine Pistole auf ihn, und er schrie. Ich schoß sechsmal in die Brust, und der Lärm meines Pistolenfeuers ging völlig unter in dem Lärm meiner eigenen Schreie. Ich schrie so lange, bis ein Dutzend Polizeiautos in die Straße einbogen und vier Bullen mich zusammen mit Wacky in einen Krankenwagen steckten. Und ich glaube, ich schrie auch im Krankenhaus noch, als sie versuchten, ihn mir wegzunehmen.
    Um mich von dem Schock zu erholen, bekam ich eine Woche frei bei vollen Bezügen. Der Arzt, der mich im Krankenhaus untersucht hatte, hatte darauf bestanden. Als ich die Arbeit wieder aufnahm, erhielt ich ein offizielles Lob und bekam beim morgendlichen Appell stehenden Applaus.
    Wacky wurde ein Heldenbegräbnis zuteil, das Foto seiner Abschlussklasse auf der Polizeiakademie wurde vergrößert, gerahmt und hing jetzt in der Eingangshalle des Wilshire-Reviers. Es war knappe vier Jahre zuvor aufgenommen worden, und Wacky sah darauf schrullig und sehr jung aus. Unter dem Rahmen war eine kleine Metallplakette angebracht, auf der zu lesen stand: »Wachtmeister Herbert L. Walker. Eingestellt im Mai 1947. Erschossen in Ausübung seiner Pflicht am 18. Februar 1951.«
    Die Schießerei kam groß in die Zeitungen von Los Angeles, mit Bildern von Wacky und mir. Sie machten großes Aufheben um die Ehrenmedaille, die Wacky verliehen wurde. Sie nannten ihn »einen wahren amerikanischen Helden«, und seinen Tod einen »Aufruf an alle Amerikaner, den Pfad der Tugend und Pflichterfüllung einzuschlagen«. Mir erschien das alles recht zweifelhaft - ich wußte nicht, wovon sie eigentlich redeten.

    Zur Beerdigung flogen Wackys Mutter und seine Schwester von St. Louis ein. Ich hatte sie angerufen, um ihnen die Nachricht von seinem Tod zu übermitteln, und sie am Flughafen abgeholt. Sie waren höflich, wirkten aber sehr unbeteiligt. Ihr Desinteresse war bestürzend. Sie sagten, daß Wacky »lieber ins Versicherungsgeschäft hätte einsteigen sollen wie sein Vater«. Ich stellte fest, daß sie absolut keine Ahnung hatten, wer Wacky eigentlich war, ließ sie stehen und ging nach Hause, um für mich alleine zu trauern.
    Ich trauerte und kämpfte gegen die Schuldgefühle an, die ich wegen der Art hatte, wie ich Wacky während der letzten Wochen behandelt hatte. Ich mußte daran denken, wie fatalistisch er alle Dinge des Lebens und des Todes akzeptiert hatte. Ich dachte an unsere letzte Streifentour, die wir zusammen unternommen hatten, und weinte. Ich wußte, daß meine Absolution unmittelbar bevorstand.

    Am Tag der Beerdigung standen hohe, dunkle Wolken am Himmel. Ich fuhr hinaus zur Leichenhalle in Glendale und war darauf bedacht, das Ganze so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
    Die Andacht wurde auf einem abgesperrten Gebiet auf einem hohen grasbewachsenen Hügel in der Mitte des Friedhofs gehalten. Hunderte von Polizisten in Uniform waren da, vom einfachen Streifenbeamten bis zum hohen Offizier. Wacky wurde von einem halben Dutzend hoher Beamter gelobt, die ihn nicht gekannt hatten. Es gab keinen Geistlichen, über Gott wurde kein Wort verloren. Wacky hatte hierzu

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