Heimlich
kann.‹
Und wir, die Bürger von Los Angeles, sind Nutznießer der Entscheidung, die Fred Underhill als Junge traf, nämlich das aufopferungsvolle Leben eines Polizisten zu führen. Ferner: Als er noch als Streifenbeamter im Wilshire-Bezirk arbeitete, hat Fred Underhill mehr Schwerverbrecher verhaftet als alle Polizisten des Reviers. Ferner: Fred Underhill hat eines der besten Zeugnisse aller Zeiten an der Polizeiakademie erhalten. Ferner: Captain William Beckworth -Underhills ehemaliger Vorgesetzter in Wilshire, nannte ihn ›das größte Naturtalent im Polizeidienst, dem ich je begegnet bin‹. Großes Lob in der Tat, aber durch Tatsachen untermauert: Im Februar dieses Jahres erschoß Officer Fred Underhill zwei bewaffnete Räuber, die gerade einen Laden überfallen hatten. Sein Partner starb bei diesem Schußwechsel. Und jetzt das Lösen des kniffligen Cadwallader-Falles, alles in einem Jahr.
Der Korea-Krieg tobt weiter. In Übersee ist es zu einem Stillstand gegen den kommunistischen Feind gekommen. An der Heimatfront geht der Krieg gegen das Verbrechen weiter. Es ist ein Krieg, in dem wir uns leider immer befinden. Gott sei Dank immer mit Männern wie Fred Underhill in unserer Mitte.‹«
Lorna hatte die letzten Sätze mit übertriebener Begeisterung vorgelesen und sagte in gespielter hingebungsvoller Ehrfurcht: »Nun, Officer Fred?«
»Die haben vergessen, daß ich groß, gut aussehend, intelligent und charmant bin. Das wäre die Wahrheit gewesen. Statt dessen haben sie den ganzen Mist erzählt - weil es sich besser liest. Die hätten ja auch schlecht sagen können, ich sei ein Atheist, ein Drückeberger und, bevor du kamst, ein Mösenjäger...«
»Freddy!«
»Das ist die Wahrheit. O Scheiße, Lorna, mir hängt das so zum Hals raus.«
»Wirklich, Liebster?«
»Ja.«
»Dann tu mir zwei Gefallen.«
»Und welche?«
»Kein Wort mehr über den Fall für den Rest des Wochenendes.«
»Okay. Und weiter?«
»Und liebe mich.«
»Beides okay.« Ich griff nach Lorna, und wir fielen lachend aufs Bett.
Einige Zeit später ließen wir uns zum Abendessen Forellen aufs Zimmer bringen. Der Page, der sie auf einem leinengedeckten Teewagen brachte, klopfte diskret an die Tür und rief leise: »Abendessen, Leute!«
Nach dem Essen zündete Lorna sich eine Zigarette an und sah mich voller Wärme und Heiterkeit an. Dadurch stieg in mir eine Welle der Neugier hoch, und ich sagte: »Kehrtwende, Lorna?«
»Kehrtwende?«
»Richtig. Du wolltest meine ganze Lebensgeschichte hören...«
»Okay, Liebling, Kehrtwende. Nach dem Unfall nur Selbstmitleid: Das Gefühl, eingesperrt zu sein, eine tote Heilige als Mutter zu haben, eine fette Schwester, einen Hanswurst als Vater und die ganzen gottverdammten Operationen - und falsche Hoffnungen und Spekulationen und Schuld und Selbsthaß und Zorn. Und die Entfremdung. Das war das schlimmste. Zu wissen, daß man nicht an diesen Ort und in diese Zeit gehörte - an keinen Ort und in keine Zeit. Dann wieder von Anfang an Gehen lernen und dieses Erfolgserlebnis, bis der Doktor mir sagte, ich könnte nie Kinder haben. Dann die furchtbare, furchtbare Bitterkeit und das schrittweise Akzeptieren.«
»Was meinst du damit, Lorna?«
»Ich meine, nie zu wissen, wann mein Bein völlig versagen und ich auf den Arsch fallen würde. Das schien immer zu passieren, wenn ich ein weißes Kleid trug. Treppensteigen lernen. Vorzeitig aus dem Klassenzimmer gehen, wenn ich wußte, daß ich Treppen steigen mußte. Die schrecklichen, lieben Leute, die mir helfen wollten. Die Männer, die meinten, sie könnten mich leicht flachlegen, weil ich behindert war. Sie hatten recht, weißt du. Ich war leicht flach zu legen.«
»Ich auch, Lorna.«
»Jedenfalls, dann kamen das College und die Universität, Bücher und Malerei und Musik und ein paar Männer und eine Art Versöhnung mit meiner Familie, und schließlich die Staatsanwaltschaft.«
»Und?«
»Und was, Freddy?« Lorna war verärgert und wurde laut. »Du bist so gottverdammt hartnäckig! Du willst, daß ich über das ›Wunder‹ rede - was immer das auch sein mag aber ich sehe es einfach nicht.«
»Sachte, Liebste. Ich wollte nicht neugierig erscheinen.«
»Warst du aber, nein, eigentlich nicht. Ich weiß, daß du alles von mir wissen möchtest, aber laß mir Zeit, ich bin nicht das Wunder.«
»Doch, das bist du.«
»Nein, bin ich nicht! Du möchtest das Wunder in den Griff bekommen. Deswegen bist du Polizist. Freddy, ich möchte bei dir sein, aber
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