Heimliche Helden
Handlung: Männer betrügen Frauen um Kraft oder Glück, Herrschaft und Macht. Die Frauen rächen sich, indem sie die Ressourcen anderer Männer aktivieren. Der fortgesetzte Frauenbetrug hat zwei Konsequenzen: Heldentum geht verloren, und auch die Frauen fallen aus ihren Rollen. Sie entwickeln Gedächtnis und Rache. Siegfried verschenkt Kriemhilds Erbanteil an ihre Brüder, ebenso verfährt Etzels Bote mit den Resten des Nibelungenschatzes. Keiner versteht die memoria, die Erinnerungsfunktion, dieser Güter. Die Handlungen des ersten und zweiten Teils spiegeln sich nicht, weil das realistisch wäre, sondern weil es jenen, die den Text hören, die die Episoden zusammensetzen und die Schlachten genießen, erlaubt, das Spiel zu begreifen und beim zweiten Mal seine Steigerung, Absurdität und Fatalität kundiger zu genießen.
Und das Ergebnis? Schon das alte Nibelungenepos zeigt den Helden als überkommene Maschine der Ausrüstung und Kampfeswut. Eine Blase, gekleidet in Metall, durchzogen von Ambition, Schläue, Dummheit. Spielball von Informatikern und Frauen, die ebenfalls Informatiker werden, sofern man ihnen Zeit lässt. Sie schauen zu Fenstern hinaus, sammeln, wer kommt, wer wie mit wem agiert. Wenn sie das Schwert ergreifen, sind sie erfolgreich, aber verlieren das Leben. Heldinnen werden sie nicht, das Konzept ist exklusiv männlich.
Held – wer Regeln liebt und ihnen dient. Wer auf Nachruhm setzt. Eine Figur zwischen Mensch und Maschine. Ein Avatar, ein Ausrüstungsobjekt, das sich schwertut mit Gefühlen. Hat es welche – Liebe (Siegfried) oder Hass (Hagen) –, gerät es auf Abwege. Es soll strahlen, für alle.
Held: ein Einzelner, der kein Einzelner ist. Eine paradoxe Rolle. Einer, der schwankt, in Reiche magischer Dinge, Gefilde der Zwerge und Riesen, des Mythos und Blutrausches hinüberschmilzt. Eine Figur, die man braucht, phantasiert, vorausschickt. Bereits im Nibelungenlied bleibt das Konstrukt ›Held‹ unbefriedigend. Zu Anfang träumt Kriemhild, sie ziehe sich einen Falken, den ihr zwei Adler schlügen. Die Mutter deutet den Traum als Verweis auf künftiges Minneleid.
Im Lauf des Epos erbeuten die Adler Gunther und Hagen den Falken Siegfried. Ein gesunder Falke wird von einem Adler nicht geschlagen. Zudem jagen Adler nicht gemeinsam. Die Welt ist aus den Fugen.
Siegfrieds Heldennachruhm bleibt Kriemhild gleichgültig, sie wünscht sich den lebendigen Mann an ihre Seite zurück, gäbe dafür jeden Schatz.
Wäre es nur ein Spiel: Press enter.
Return.
1 Das Nibelungenlied , hg. von Helmut de Boor, Leipzig 1959, Strophe 676
2 Das Nibelungenlied , Strophe 474 f.
3 Das Nibelungenlied , Strophe 636 f.
4 Das Nibelungenlied , Strophe 2379
5 Das Nibelungenlied , Strophe 1782 f.
Kleines Verzeichnis damals geläufiger Wörter 6
degen: Knabe; Krieger, Held
degenen: zum Helden machen
heimlich , mittelhochdeutsch heime-, heim-, heinlich: vertraulich, vertraut, heimlich, verborgen, geheim, einheimisch, zahm
krîe, krî : Schlachtruf, Feldgeschrei, Parole, Losung; das Helmzeichen als Erkennungszeichen im Kampf. Sowie: Schrei, Ruf überhaupt, auch: Ruf, Fama
krîec: Anstrengung, Streben nach etwas; Streben gegen etwas oder einen, widerstreben, Widerstand, Anfechtung, Streit, Kampf mit Worten, Disputation, Wettstreit, Rechtsstreit, Zwist, Zwietracht; handgreiflicher Streit, Kampf zwischen Zweien; Streit mit Waffen, Kampf, Krieg
mære : Adjektiv: wovon gern und viel gesprochen wird; bekannt, berühmt, berüchtigt, der Rede wert, herrlich, gewaltig, lieb, von Wert. Als Substantiv: Kunde, Nachricht, Bericht, Erzählung, Gerücht. Ebenso: Gegenstand der Erzählung, Geschichte, Sache, Ding. Sowie: Absicht, Ereignis, Umstand, Art und Weise
muot : Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens, Sinn, Seele, Geist; Gemüt, Gemütszustand, Stimmung, Gesinnung u. a.
recke, reke : Verfolgter, Verbannter, Fremdling; herumziehender Krieger, Abenteurer; Krieger überhaupt, erprobter Krieger, Held
recken : in die Höhe bringen, erheben, ausstrecken; erregen, hervorbringen, verursachen; ausstrecken, ausdehnen; darreichen
recken, rechen: sagen, erzählen, darlegen, erklären
scheiden : scheiden, sondern, trennen, scheiteln, entscheiden, beilegen, schlichten, beenden, deuten, auslegen, Bescheid geben. Scheidenheit: Bescheidenheit, Bedingung
slahtunge : Züchtigung, Strafe; das Töten, Schlachten, Gemetzel, Mord; die Schlacht, Schlägerei
veiclich : todbringend; veige: der vom Schicksal zum Tod oder Unglück bestimmt
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