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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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Spiegelung. Der Miterlebende bewundert, ist bärbeißig und verhält sich politisch keineswegs korrekt, wenn wie in der Lichterfahrt mit Gesualdo ein Kind entführt wird. Er sucht sich zu verstecken, gibt sich aber preis in Sprache und Blick. Der Held ist nichts ohne den, der ihn bewundert, verherrlicht, verfolgt; nichts ohne das Weichei, den Beschädigten, der den Mund aufreißt. Er stellt die weiche Psyche des harten Kerns der heldischen Aktionsfigur dar; er gibt den Menschen mit dem Redebedarf (und der Neurodermitis). Eigners Texte wissen, dass Körper nur leuchten, wenn einer danebensteht und sie begehrt, dass Schönheit Hässlichkeit braucht (und andersherum). So wird der eine Folie für den anderen, bis die Zweiheit als eine Figur gedacht werden kann, bis also Zweiheit als Spaltung erscheint, die aber im nächsten Schritt durch Eignersche Aktions- und Reaktionsraffinesse, durch Projektion und Beobachtung der Projektion der Beobachtung auf den von sich selbst beobachteten Projektor neu verbunden wird, bis einem die Freundeskonstellation wieder »nur« als der normale Irrsinn jeder Zweierbeziehung erscheint, was sich noch steigert, wenn die beiden Männer um einen, besser eine Dritte kreisen, wovon sowohl die Italienische Begeisterung als auch Brandig ein Lied zu singen verstehen.
    Eigner ist ein Meister des unwirklichen Dialogs. Die Körper seiner Figuren entstehen durch innere und äußere Rede. Die starken Arbeiten des Autors fürs Radio sind kein Zufall, sondern Konsequenz seiner Empfänglichkeit für Rhythmus und Laut. Er schreibt in Stimme. Selbst erzählt er gern, anschaulich packend, deutlich übertrieben, also gut. Stimmen hören lassen – alles ist Rede und Gegenrede, ist soziale Interaktion, sozial gespannt. Auch deswegen geben Schwimmbäder so hervorragende literarische Orte ab, das habe ich bei Eigner gelernt.
    Womit wir wieder vor der Frage nach dem Wirklichkeitsraum des Sprechens stehen: Wovon, wozu? Welche Wirklichkeit möchte oder kann es »bezeichnen«, welche selbst sein? Die relationale Wahrheit des Augenblicks des Sprungs vom Turm – die Wahrheit dieser Genetivverkettung, die dehnend zeigt, wer du in dieser Sekunde bist (einer, der springt; einer, der zögert) und wie du gesehen wirst.
    Und immer beides. Und immer doppelt.
    Wie bei Schädlich ist der Held ohne die Modi seiner Darstellbarkeit nicht mehr denkbar.
    Diese Modi sind bei Eigner von schweren Behinderungen gekennzeichnet: Querschnittslähmung, Trauer um den Tod eines nahestehenden Menschen, Wirklichkeitsverlust, körperliche Gebrechen. Sie bilden die äußere Hülle. Im Kern verbergen sich jene Reste des Heldischen, die das Erzählen zum einen fordert (»Protagonist«, Spannung, Geschehen), die zum anderen die Historie des 20. Jahrhunderts (spätestens) zerschlagen hat. Diese Reste erscheinen nur mehr im Zeigegestus. Nicht als sie selbst, sondern als Figuren, auf die gewiesen wird. Die »Helden«-Freunde der Weicheierzähler treten in Eigners Romanen kaum auf, oder sehr spät, oder sehr einsilbig oder nur in Form ihrer eigenen Vergangenheit. Sie sind Schrumpfformen, Hüllen, um die ein immenser rhetorischer und emotionaler Aufwand betrieben wird. Er zeigt eben an, was fehlt – ist Faden, geschlungen um ein Nicht oder Nichtmehr.
    Mehr oder weniger sanft
    Kleist weiß sie meisterhaft einzusetzen, die Kunst der Übertreibung. Der Prinz von Homburg träumt die Wirklichkeit, das Käthchen von Heilbronn stürzt sich aus neun Metern Höhe aus einem Fenster und eilt ihrem Wetterstrahl von Grafenblitz hinterher, nur um herauszufinden, dass sie die Tochter eines Kaisers ist. Im Unwahrscheinlichsten zeigt sich Wirklichkeit. Dabei sind gute literarische Übertreibungen nicht willkürlich; Zeitgenossenschaft, Beobachtungsgabe und Wirklichkeitsneugier geben sie ein. Wie oft hört man »wahre« Geschichten, die unglaubliche Zufälle und Verkettungen beinhalten, die aber, schriebe man sie auf »wie geschehen«, vollkommen unglaubwürdig (weil autorwillkürlich) wirkten. Eigners Texten ist allenthalben anzuspüren, dass sie diese Gesetze kennen. Um als Fiktion zu überzeugen, muss Wirklichkeit in einem herauf- und heruntertransformiert werden: Eigner betreibt das lustvoll, indem er körper- und sprachgestisch übertreibt.
    Mit nahezu unerträglicher Genauigkeit sieht der durch einen unglücklichen Kopfsprung in die Nordsee gelähmte Ich-Erzähler von Eigners drittem Roman, Mittenentzwei , auf die Schönheit und den vollkommenen Wahnsinn der ihn

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