Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
unwillkürlich durch den Sinn, und sie fragte sich, was Marcus sagen würde, sähe er sie in diesem Augenblick.
Ein zweiter Blick in den Spiegel bestätigte sie in ihrer Vermutung, dass Rouge nicht vonnöten war. Allein der Gedanke an Marcus hatte ihr die Röte in die Wangen getrieben. Verlegen senkte sie die Lider. Man musste kein Menschenkenner sein, um in diesem Moment ihre Gedanken zu erraten.
Polly hatte zu ihrer Erleichterung die gute Eingebung, ihr den Tee aufs Zimmer zu bringen, machte einen Knicks und ließ sie mit ihren Gedanken allein.
Am Abend schritt Miranda mit hoch erhobenem Kopf die Treppe hinab, musste sie sich doch eingestehen, dass sie, nachdem Polly ihre Künste angewandt hatte, ein anmutiges Bild abgab. Und nicht nur sie war dieser Meinung. Kaum betrat sie den Speisesalon, sprang St. John auf und eilte auf sie zu. „Miranda“, sagte er seufzend, „ich hatte ja keine Ahnung!“ Er schritt um sie herum und betrachtete sie verblüfft. Miranda indessen senkte verlegen den Blick. „Wem haben Sie denn diese Verwandlung zu verdanken? Sie sind doch nicht etwa wie ein Vogel nach London und wieder zurück geflogen, um so elegant auszusehen?“
„Nein“, erwiderte sie. „Das war Pollys Werk. Sie hat darauf bestanden.“
„Dann sollten Sie ihren Rat unbedingt weiterhin beherzigen, meine Liebe. Für ihr Alter ist sie ein sehr weises junges Ding. Ist das etwa ein neues Kleid?“
„Sie zerstören die Wirkung Ihres Kompliments durch fadenscheinige Schmeichelei, St. John. Dieses Gewand trage ich seit zwei Wochen zum Dinner.“
„Es lag nicht in meiner Absicht, Ihnen zu schmeicheln. Dazu bin ich viel zu verblüfft … Um ehrlich zu sein, Miranda, ich habe mir das Kleid gar nicht genau ansehen können, weil die Frau, die es trägt, so strahlend schön ist.“
Obgleich sie wusste, dass sie nicht ihm, sondern seinem Bruder gefallen sollte, empfand sie St. Johns Lobeshymnen als sehr angenehm. Sie zögerte. „Meinen Sie, der Duke wird meine neue Erscheinung billigen?“
St. John vermied ausdrücklich ihren Blick und wies ihr den Stuhl gegenüber seinem an. Nachdem er sich der Vorsuppe gewidmet hatte, brachte er ernst hervor: „Mich dürfen Sie eigentlich nicht fragen, wenn es um die Vorlieben meines Bruders geht, zumindest in Bezug auf Frauen. Immerhin sind viele Jahre ins Land gegangen, seit wir unter einem Dach gelebt haben. Vorlieben ändern sich.“ Er setzte das Weinglas an die Lippen und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Aber weshalb sollte er Ihre Verwandlung nicht schätzen? Die neue Frisur steht Ihnen ausgezeichnet.“
Prächtig, schimpfte Miranda insgeheim, mein Gemahl bevorzugt also Frauen mit langen glatten Haaren. Hatte sie womöglich das Einzige an sich verändert, das ihm gefiel? Sie nahm einen herzhaften Schluck Rotwein zu sich und erlaubte dem Lakai, ihr nachzuschenken. Entschlossen, sich durch die Sorge um den Geschmack des Duke nicht den Abend verderben zu lassen, schüttelte sie den Kopf, sodass ihre Locken auf- und absprangen. Sie musste lächeln. „Wenn ich ihm nicht gefalle, kümmert es mich nicht, denn ich finde, dass ich präsentabel aussehe.“
St. John lachte. „Aber mir gefallen Sie. Immer hübsch den Kopf hochhalten, damit ich Ihren reizenden Schwanenhals bewundern kann. Die kurze Zeit hier in Haughleigh Grange scheint Ihnen bereits sehr gutgetan zu haben.“
Miranda errötete und versuchte erst gar nicht, es zu kaschieren. St. John kannte die Frauen und wusste, was seine Schmeicheleien bei ihr bewirkten. Er war lediglich zu charmant, um einen Kommentar darüber zu verlieren. Bald würde er zu allgemeineren Sujets überwechseln und ihr die Möglichkeit geben, ohne verlegen zu werden oder wie ein Schulmädchen zu kichern Konversation mit ihm zu machen.
Sie nahm noch einen Schluck des köstlichen Weins und entschloss sich, die Plaudereien mit St. John zu genießen, solange sie es konnte; denn bestimmt würde ihr Gemahl bald nach Hause kommen und seinen Bruder wieder fortschicken.
Während des Hauptgangs berichtete St. John von seinen Plänen, eine Pferdezucht aufzubauen. Eine prachtvolle Stute habe er heute bereits im Hof seines Gasthofs bewundern dürfen. Miranda konnte sich denken, worin die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Brüdern bestanden: Der Zweitgeborene hatte nur wenig Geld geerbt und es vermutlich längst ausgegeben. Seine Schulden wuchsen ihm über den Kopf, während er seinen Träumen nachhing – immer davon ausgehend, dass sein Bruder die
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