Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
Gläubiger in Schach halten würde.
Beim Dessert verstummte St. John plötzlich, und sie sahen einander an, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Zunächst war Miranda die Stille ganz angenehm, doch bald spürte sie ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen, das ihr sagte, sie habe zu viel Wein getrunken. Ich sollte mich heute früher zurückziehen, dachte sie. Damit diese Kinderei ein Ende hat.
„Und was beginnen wir mit dem Abend?“, wollte St. John plötzlich wissen, als hätte er ihre Gedanken erraten. „Wollen wir uns auf einen Port in die Bibliothek begeben? Ich könnte Ihnen etwas vorlesen. Oder wäre Ihnen das Musikzimmer lieber? Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie des Klavierspielens nicht mächtig sind? Ich könnte einige einfache Melodien zustande bringen, die das Ohr einer Dame nicht beleidigen – obwohl meine Stimme nichts taugt.“
Er war so eilfertig, so bemüht, ihr zu gefallen. Und sie würden wieder eine angenehme Zeit miteinander verbringen wie an den Abenden zuvor. Zu angenehm, sodass die Trennung ihr schwerfallen würde. „Nicht heute, St. John. Ich bin recht müde. Ich denke, ich werde mich in mein Schlafzimmer zurückziehen und noch ein wenig lesen.“
„Kommen Sie, meine Liebe“, sagte er und erhob sich, um ihr den Arm zu reichen. „Ich begleite Sie.“
Miranda legte die Serviette auf den Tisch und stand auf. „Das ist nicht nötig.“
„Oh, aber ich bestehe darauf.“ Er gesellte sich an ihre Seite und tätschelte sacht ihren Arm. Ohne es zu wollen, nahm sie die Berührung sehr empfindlich wahr und wurde unruhig. „Sie sollten nicht allein durch dieses riesige Haus laufen.“
„Ich würde es bevorzugen …“
„Allein zu sein?“, ergänzte er leichthin. „Pah. Es ist nicht gesund, zu viel allein zu sein. Sie werden bald herausfinden, dass es eine ganze Menge Dinge gibt, die man besser in Gesellschaft anderer beginnt.“
Er eskortierte sie aus dem Raum, und sie durchquerten das Entree, um bis zum ersten Absatz der Treppe zu gelangen. Dort blieb Miranda stehen und dankte ihrem Begleiter für den schönen Abend.
„Aber wir haben nicht einmal die Hälfte des Weges zu Ihren Gemächern zurückgelegt, meine Teure.“
„Ich kenne den Weg. Wirklich, St. John. Ich denke nicht, dass ich mich in meinem eigenen Haus verlaufen werde.“
Seine Augen funkelten merkwürdig im Licht der Kerzenleuchter. „Es war einst auch mein Haus. Jeder hier scheint vergessen zu haben, dass ich zur Familie gehöre.“
„Natürlich gehören Sie zur Familie, St. John. Zumindest, was mich betrifft. Wie ein Bruder.“ Die Worte klangen irgendwie falsch in ihren Ohren, und sie fügte rasch hinzu: „Ich hatte nie einen Bruder.“
„Ich werde den Mangel, den Sie erlitten haben, auszugleichen versuchen und heiße dich als meine Schwester herzlich willkommen.“ Ehe sie es sich versah, küsste er sie auf die Wange.
Es war nur ein flüchtiger Kuss, doch seine Lippen brannten wie Feuer auf ihrer Haut.
Dann glitten seine Finger sacht zu ihrem Kinn, und als er ihre Lippen berührte, entfuhr ihr ungewollt ein Seufzer.
„Wahrhaftig, mein Bruder hat tatsächlich nicht das Bett mit dir geteilt. Er ist nach London gefahren, ohne dich anzurühren.“
Sie errötete heftig. „Es ziemt sich nicht, über solche Dinge zu sprechen.“
„Es ziemt sich nicht, und doch ist es wahr.“ Er sah sie prüfend an. „Mein Bruder ist ein größerer Dummkopf, als ich dachte, dass er ein Kleinod wie dich verschmäht hat, um in London zu seinem Paradiesvögelchen zu gehen.“
„Er hat mich nicht verschmäht“, protestierte sie schwach.
„Vielleicht nicht. Er wird bestimmt zu dir zurückkommen, wenn er seiner Mätresse überdrüssig geworden ist. Er erwartet dann natürlich, dass seine unschuldige Frau daheim sitzt und seiner harrt. Es geschähe ihm ganz recht, wenn jemand käme und mit dir durchbrennen würde.“
„Ich habe mehr Ehrgefühl im Leib, als mich zu einer solchen Dummheit hinreißen zu lassen, Sir.“
„Natürlich hast du das, mein Liebling. Aber du wirst sehen, dass es Männer gibt, die keine Scheu davor haben, eine einsame und tugendhafte Ehefrau in Versuchung zu führen.“
„Und ich nehme an, Sie möchten mich vor solchen Männern beschützen“, versetzte sie trocken.
„Vielleicht kann ich dir anders zu Diensten sein.“
„St. John, Sie gehen zu weit.“ Brüsk wandte sie sich um und wollte gehen, doch der junge Mann umfing ihre Schultern und drehte sie wieder zu sich.
„Miranda“,
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