Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
tief durch. “Darf ich mich vielleicht setzen? Es gibt da etwas, über das ich gern mit dir sprechen würde.”
Kristian runzelte die Stirn. Was war denn mit seiner Mutter los? So bedrückt kannte er sie gar nicht. Irgendetwas lag ihr auf dem Herzen. Er nickte. “Sicher. Was gibt’s denn?”
Sie seufzte. “Ich glaube, die Frage sollte ich eher dir stellen.”
“Wie meinst du das?”
“Was liegt dir auf dem Herzen, mein Sohn? Seit Wochen bist du kaum mehr als der Schatten deiner selbst. Und erzähl mir jetzt bitte nicht, dass es dir gut geht, denn ich weiß, dass das nicht stimmt.” Sie musterte ihn eindringlich. “Es ist wegen Linnea, nicht wahr?”
Inzwischen wünschte er fast, er hätte seine Mutter nicht hereingebeten. Er wollte nicht über Linnea sprechen. Dieses Kapitel seines Lebens war abgeschlossen, und zwar endgültig. Er wusste zwar noch nicht, wie es weitergehen sollte ohne sie – aber hieß es nicht immer, die Zeit heilt alle Wunden?
“Lass es gut sein, Mutter”, blockte er ab. “Dieses Thema ist für mich abgehakt. Ich möchte nicht mehr darüber sprechen – weder mit dir noch mit sonst jemandem, bitte respektiere das.”
Doch Annika schüttelte energisch den Kopf. “Es tut mir leid, aber das kann ich nicht!” Zu seiner Verwunderung sah er, dass Tränen in ihren Augen glitzerten. “Nicht, ehe du mich angehört hast.” Sie holte tief Luft. “Mein Sohn, ich fürchte, ich habe einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen.”
Mit einem Mal musste Kristian an Linneas Worte denken, damals, nachdem sie in der Hütte an der Bucht von Skatan die Nacht miteinander verbracht hatten. Er hatte sie gefragt, warum sie sich nie bei ihm gemeldet hatte, und ihre Antwort war gewesen: “Vielleicht solltest du irgendwann einmal deine Mutter darauf ansprechen.”
Ein Verdacht keimte in ihm auf, so unvorstellbar entsetzlich, dass es ihm fast den Atem raubte.
“Linnea hat versucht, mich zu erreichen, damals vor sechs Jahren, nicht wahr?”, stieß er heiser aus.
Annikas Augen weiteten sich vor Schreck. “Du weißt es schon? Aber …”
“Nein, Mutter, ich wusste es nicht. Aber jetzt will ich alles erfahren, hörst du? Jedes noch so kleine Detail deiner Intrige gegen Linnea – und danach werden wir weitersehen.”
Tränen strömten ihr über die Wangen, doch Kristian konnte nicht viel Mitgefühl mit ihr empfinden. Sie hatte ihn all die Jahre belogen. Und warum? Er wusste es ganz genau: Weil sie glaubte, dass Linnea nicht gut genug für ihn gewesen war. Wie konnte sie sich nur anmaßen, darüber zu entscheiden?
Trotzdem schüttelte er ihre Hand nicht ab, als sie sie auf seinen Unterarm legte. “Es tut mir so leid, mein Junge. Ich fürchte, ich habe erst jetzt begriffen, was ich mit meinem Verhalten angerichtet habe”, sagte sie leise. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Du musst mir glauben, dass ich immer nur das Beste für dich wollte. Aber inzwischen ist mir klar geworden, dass ich mich niemals auf diese Art und Weise in dein Leben hätte einmischen dürfen.” Zitternd holte sie Luft. “Es stimmt, Linnea hat ein paar Mal geschrieben und auch angerufen, nachdem sie damals fortgegangen war. Ich habe die Briefe verschwinden lassen, ehe du sie zu Gesicht bekommen konntest, und am Telefon sagte ich ihr, dass du und Ina … Dass ihr wieder zueinandergefunden hättet …”
Traurig schüttelte Kristian den Kopf. Das erklärte natürlich einiges. “Warum hast du das bloß getan, Mutter?”
Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und versuchte ein Lächeln, das jedoch kläglich verunglückte. “Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagte, dass ich es inzwischen selbst nicht mehr so genau weiß? Ich war so geblendet von meinem Wahn, einen Keil zwischen dich und Linnea treiben zu müssen. Und als sie plötzlich wieder da war, ging das ganze Spiel von vorne los. Mir war jedes Mittel recht, um sie endgültig aus deinem Leben zu vertreiben. Zuerst versuchte ich, Ina einzuspannen, doch als sie erfuhr, was ich vorhatte, wollte sie mir nicht helfen. Und dann fiel mir ein, dass ich vor ein paar Wochen in einer Illustrierten etwas über sie und einen jungen Mann gelesen hatte – den Sohn ihres Verlegers. Ich beschloss, es darauf ankommen zu lassen, und rief in England an.”
“Dein Plan ging auf – Linnea ist fort.”
“Ich weiß – und zuerst war ich auch glücklich und froh darüber. Erst jetzt habe ich begriffen, was ich mit meinem Verhalten angerichtet habe.”
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