Heimliche Wuensche
hatte sich darum bemüht, Jace vorgestellt zu werden; aber sein Gewährsmann hatte die Stadt verlassen, ehe es dazu kommen konnte. Ein Jahr später pries Charles sein Glück, als dieser Mann plötzlich wie aus dem blauen Himmel vor ihm erschien, um ihn aus den Händen von Räubern zu befreien.
Sofort hatte Charles angefangen, Pläne zu schmieden. Was für ein Fang er mit diesem Mann machte, wenn er sein Schwiegersohn würde! Jace würde die Familie Grayson mit der Reederei Warbrooke verbinden. Chandler träumte bereits von einer riesigen Transportgesellschaft zu Lande und auf dem Meer unter dem Namen Grayson-Warbrooke. Und so hatte Charles begonnen, Jace von seiner schönen Tochter zu erzählen, und nach einem stundenlangen Gespräch war es ihm gelungen, Jace zu einem Dinnerbesuch in seinem Haus zu überreden.
Dann war alles schiefgegangen. Terel hatte wie üblich nicht zugehört, als er ihr erzählte, wie wichtig Montgomery sei, und sie hatte diesen Mann Nellie überlassen. Nur der Himmel wußte, warum er sich für Nellie interessierte; aber sein Interesse für sie war von Anfang an offenkundig gewesen.
Er kann Terel haben, überlegte Charles, aber nicht Nellie. Oder zumindest konnte er sie nicht eher bekommen, bis Terel unter der Haube und aus dem Haus war. Er würde nicht dulden, daß er mit seiner verzogenen jüngeren Tochter alleingelassen wurde.
»Törichter Mann!« fluchte Charles leise. Was, in aller Welt, fand er nur an Nellie? Im Vergleich zu Terel sah Nellie wie ein alter Ackergaul neben einem schlanken Rennpferd aus.
Er ging in den Salon zurück. »Ich werde Männer losschicken, die nach ihr suchen sollen«, sagte er zu Terel. »Ich glaube nicht, daß unsere Familie so einen Skandal vertragen kann. Ich werde ihr verbieten, Montgomery noch einmal zu sehen.« Er warf seiner jüngeren Tochter einen durchbohrenden Blick zu. »Vielleicht kannst du dafür sorgen, daß dieser Mann in die Gesellschaft von Chandler eingeführt wird.«
»Ich werde mein möglichstes tun«, sagte Terel feierlich. »Du weißt, Papa, daß ich immer bereit bin, dir zu helfen.«
Kapitel 5
Nellie hatte drei Tage lang ununterbrochen gegessen. Sie schien damit nicht aufhören zu können. Sie bereitete drei Pasteten zu und aß eine davon. Sie bestellte vier Kuchen in der Bäckerei, und schlang einen davon hinunter. Sie buk sechs Bleche voll Plätzchen und aß zwei Bleche leer, ehe die Plätzchen abgekühlt waren. Jedesmal, wenn sie sich an den Abend nach ihrem Ausgang mit Mr. Montgomery erinnerte, bekam sie rasende Hungergefühle.
Der Schrecken dieses Abends — Terel weinend wie ein Schloßhund; ihr Vater arg enttäuscht von ihr — stand ihr jede Minute des Tages vor Augen. Drei Tage lang hatte sie nun in der Angst gelebt, daß die Leute ihre Frachtverträge Nellies skandalösen Verhaltens wegen stornierten. Ihr Vater hatte ein düsteres Gemälde vor ihr entworfen, wie sie alle drei auf die Straße geworfen wurden und ohne Nahrung einen Colorado-Winter im Freien überleben mußten, nur weil Nellie zu egoistisch war, die Interessen der Familie zu berücksichtigen.
Daß Nellies Verhalten in der Tat unmöglich gewesen war, wurde durch die Tatsache belegt, daß nun körbchenweise Einladungskarten für sie eintrafen.
»Sie glauben jetzt, daß du eine Frau ohne moralische Grundsätze bist«, sagte Charles und warf die Einladungskarten ins Feuer.
Da wollte eine Stimme in Nellie Widerspruch erheben und darauf hinweisen, daß Terel Einladungskarten er-hielt, ohne gleich als sittenlos zu gelten. Und als ob Terel ihre Gedanken gelesen hätte, wies sie Nellie darauf hin, daß sie nicht von der ganzen Stadt dabei beobachtet wurde, wie sie einen Mann umarmte. Sie hatte nicht fast einen ganzen Abend allein mit einem Mann in einem Park verbracht.
Nellie hatte versucht, sich mit dem Hinweis zu verteidigen, daß sie bereits um halb neun Uhr zu Hause gewesen sei; war jedoch dann in Tränen ausgebrochen, als ihr Vater sie fragte, ob die Möglichkeit bestünde, daß sie bereits mit dem Bastard dieses Mannes schwanger ging.
Terel hatte sodann Nellie erklärt, daß ein so in den weltlichen Gepflogenheiten bewanderter Mann wie Mr. Montgomery Nellie lediglich deswegen haben wollte, weil sie so unschuldig war und er von ihr alles bekommen konnte, was er begehrte. »Schau dich doch nur an, Nellie. Was wollte er denn sonst von dir?« hatte Terel gesagt. »Männer wie er nützen solche Frauen wie dich nur aus — Frauen, die bereit sind, mit ihnen eine
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