Heimliche Wuensche
auslöste. Er roch gut; er fühlte sich gut an; er schmeckte gut.
Binnen weniger Minuten konnte Nellie nichts mehr sehen oder denken. Sie war nur noch eine große, rote, empfindende Flamme.
»Nellie«, sagte Jace und versuchte, sich von ihr zu lösen, was sich aber als schwierig erwies, »wir müssen aufhören.« Er hob den Kopf und sah sie an. Ihr Gesicht war gerötet, ihre Augen waren geschlossen, ihre langen, dichten Wimpern ruhten auf ihren weichen Wangen, und ihre Lippen waren weich und voll und einladend geöffnet.
»Nellie«, sagte er abermals, und diesmal war es eher ein Stöhnen. »Ich kann mich nicht länger zurückhalten. Wir müssen aufhören.« Er küßte sie noch einmal auf den Mund und löste sich dann von ihr. »Ich denke, deine Familie wäre nicht wenig schockiert, wenn sie uns in heftiger Umarmung auf dem Boden der Speisekammer fände.«
Langsam öffnete Nellie die Augen und sah zu ihm hoch. Sie waren auf intime Weise aneinandergepreßt, sein Bein zwischen ihre Schenkel geschoben, und es wurde ihr nun bewußt, daß sie sich soeben benommen hatte wie ein leichtes Mädchen. »Es ... es tut mir leid, Mr. Montgomery«, murmelte sie, ihn loslassend. »Ich hatte nicht die Absicht . . .« Sie wußte nicht, wie sie fortfahren sollte.
»Kein Grund, dich zu entschuldigen«, sagte er und lächelte, als wäre nichts geschehen; aber seine Stirn glänzte vor Schweiß.
Nellie schämte sich plötzlich, und sie zog sich mit blutrotem Gesicht aus der Speisekammer zurück.
»Nellie.« Er faßte sie am Arm und zog sie wieder an sich; aber sie drückte ihn mit beiden Händen von sich weg und konnte sich aus seiner Umarmung befreien.
»Mr. Montgomery, ich bereue aufrichtig, daß . . . daß ich mich so unmöglich benommen habe«, murmelte sie und wich bis in die Mitte der Küche zurück. Es war besser, wenn sie ihn jetzt nicht ansah. Vielleicht konnte sie vergessen, wie sie sich soeben aufgeführt hatte, wenn sie ihn nicht anblickte.
»Bitte, schau mich an«, sagte er, und als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, faßte er sie bei den Schultern und brachte sein Gesicht ganz nahe an ihres heran. »Du wirst doch wohl nicht glauben, was deine Schwester von mir behauptet, nicht wahr? Ich habe in der Stadt keine andere Frau angesehen. Nur dich. Und diese beiden aufgedonnerten Küken setzten sich in der Kirche zu mir und ich mich nicht zu ihnen. Und im Büro deines Vaters bin ich zu den Frauen immer nur höflich gewesen.«
Sie bewegte sich abermals von ihm fort. »Mr. Montgomery, ich habe keine Ahnung, warum sie glauben, daß Ihre Frauenbekanntschaften mich etwas angingen. Es steht Ihnen frei, jeder oder allen hübschen jungen Frauen in der Stadt nachzustellen.« Sie fing an, Brot und kalten Braten aufzuschneiden und auf eine Platte zu legen, die sie Terel bringen wollte.
Er konnte ihr ansehen, daß sie ihm nicht glaubte. Zum Henker mit Terel, diesem kleinen, falschen Biest. Für Nellie waren die Worte ihrer Schwester so wahr wie das Evangelium.« Ich habe deiner Schwester niemals Avancen gemacht. Ich habe nie . . .«
»Wollen Sie damit andeuten, daß meine Schwester mich belogen hat?«
»Wenn dir der Schuh paßt, dann zieh ihn dir an«, entschlüpfte es ihm, ehe er seine Worte bedachte.
Nun funkelte sie ihn förmlich an. »Sie können jetzt gehen, Mr. Montgomery. Und ich glaube nicht, daß Sie noch einmal hierherkommen sollten.«
»Nellie, es tut mir leid. Ich habe deiner Schwester nicht zu nahe treten wollen, obwohl es stimmt, was ich sagte. Ich meinte lediglich . . .« Er hielt mitten im Satz inne, weil Nellie ihn nun mit flammender Empörung ansah. »Nellie, bitte, geh mit mir ins Freie. Laß hier alles stehen und liegen und geh mit mir eine Viertelstunde spazieren. Erlaube mir, dir zu zeigen, wieviel du mir bedeutest.«
»So, wie Sie mir das eben in der Speisekammer gezeigt haben? Nein, Mr. Montgomery, ich denke, das werde ich nicht tun. Ich weiß, was ich bin. Ich bin eine alte Jungfer, die zufällig die Tochter eines reichen Mannes ist. Sie brauchen Ihre Zeit nicht länger an mich zu verschwenden. Ich habe Sie durchschaut.«
Dieser flehende Blick verlor sich aus Jace’ Augen, und aus seinem Gesicht sprachen jetzt Erbitterung und Wut. »Ich bin immer ehrlich zu dir gewesen«, preßte er durch die zusammengebissenen Zähne, »und ich mag es nicht, wenn man mich der Unehrenhaftigkeit beschuldigt.« Er trat auf Nellie zu, die wieder vor ihm zurückwich. Dieser Zorn auf seinem Gesicht erschreckte sie.
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