Heimliche Wuensche
ich auch das Geld verdiene, um all diese neuen Kleider bezahlen zu können.« Er machte kehrt und verließ die Küche.
Einen Moment lang schloß Nellie die Augen. »Ich wünsche mir, daß Vater sehr erfolgreich ist mit seinem Geschäft«, flüsterte sie. »Ich hoffe, er verdient mehr Geld, als er zur Bezahlung von Terels Kleidern braucht.«
Kapitel 6
Kane Taggert stand am Fenster seines Büros und sah zu, wie sein Vetter ruhelos im Garten auf und ab lief. Als seine Frau hinter ihn trat, drehte er sich nicht um.
»Wie lange macht er das schon?« fragte Houston.
»Seit drei Tagen. Er geht früh in dieses Frachtkontor von Grayson zur Arbeit, und den Rest des Tages verbringt er damit, dort draußen umherzulaufen.« Kane runzelte die Stirn. »Er geht mir allmählich auf die Nerven.«
»Ich möchte meinen, daß er erheblich größere Schmerzen hat als du«, erwiderte Houston.
Nun drehte Kane sich um und sah seine Frau an: »Ich möchte um keinen Preis der Welt noch einmal die Zeit durchmachen, als ich mich um deine Hand beworben habe.«
Sie lächelte und küßte ihn auf die Wange; aber als sie sich von ihm entfernen wollte, zog er sie an sich. »Du meinst, unser Vetter Jace erleidet zur Zeit Höllenqualen?«
»Ich glaube ja«, erwiderte sie traurig. »Niemand in Chandler hat ihn seit drei Tagen zusammen mit Nellie gesehen; dafür Terel um so mehr — jedesmal mit einem anderen Verehrer.«
Kane küßte seine Frau auf den Mund, ließ sie dann los und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. »Nellie Grayson«, sagte er verwundert, »wie kommt es, daß er eine Frau begehrt, die so . . .«
»Sag es nicht«, fiel ihm Houston rasch ins Wort. »Nellie ist eine reizende Frau. Wenn ihre Familie ihr einmal erlaubt, das Haus zu verlassen, ist sie in der Kirche für wohltätige Zwecke tätig. Sie hat ein gütiges, liebevolles Herz, und ich glaube, Jace hat das erkannt.«
»Ja, vielleicht ist sie ein großartiger Mensch; aber Jace ist nicht gerade ein übel aussehender Bursche. Wie kommt es, daß er eine Frau begehrt, die so ...«, er blickte seine Frau an, ». . . dick ist?«
»Jocelyns Mutter ist LaReina.«
Kane hatte offensichtlich keine Ahnung, was sie meinte.
»Wir haben sie in Dallas singen hören.«
»Oh«, sagte er enttäuscht, »eine Opernsängerin. Was hat das damit zu tun, daß Jace offenbar in Nellie verliebt ist?«
»Opernsängerinnen sind traditionell vollschlanke Gestalten, und nach allem, was Jace uns bisher erzählte, war er in seiner Kindheit stets von den Freundinnen seiner Mutter umgeben.«
Kane hatte einige Mühe, zu begreifen, was seine Frau meinte. Doch dann lächelte er. »Oh, ich verstehe. Du meinst, Jace sei von Kindheit an an fette Ladys gewöhnt.«
Houstons Augen wurden schmal. »Jede Frau, die so eine gesegnete Stimme hat, daß sie als Koloratursopran auf der Opernbühne auftritt, verdient es nicht, als >fette Lady< bezeichnet zu werden.«
Kane fuhr fort zu lächeln. »Jedem Topf seinen Deckel, schätze ich. Aber fe . . .«, er schluckte, ». . . korpulent oder nicht: mir scheint, Jace hat es offenbar schwer, an das Ziel seiner Wünsche zu gelangen, was diese Frau betrifft. Du solltest wohl besser mit ihm reden.«
Houston blickte ihrem angeheirateten Vetter nach, der gerade am Ende eines Gartenweges hinter Büschen verschwand. »Ich habe eben dasselbe gedacht.«
Kane lachte schnaubend. »Nun werden alle Stolpersteine bald aus dem Weg geräumt sein.«
Houston gab ihm keine Antwort. Sie trat durch die Terrassentür hinaus in den Garten.
»Hallo, Jocelyn«, sagte sie leise und lächelte ihm dann zu, als er sich umdrehte. Er hatte dunkle Ringe um die Augen und schien sich an diesem Morgen nicht rasiert zu haben. In der richtigen Kleidung, dachte Houston bei sich, würde er aussehen wie ein Pirat.
»Wie geht es Nellie?« fragte sie.
Jace rammte die Hände in die Hosentaschen und drehte sich von ihr weg. »Ich weiß es nicht. Sie will mich nicht sehen.«
»Habt ihr euch gestritten?«
»Ja, ich glaube schon.« Er seufzte und ließ sich dann schwer auf eine Steinbank fallen. »Houston, das ist die sonderbarste Familie, der ich jemals begegnet bin.«
Sie setzte sich neben ihn und wartete darauf, daß er sich näher erklärte.
Jace lehnte sich gegen einen Baum und streckte seine langen Beine aus. »Als ich Charles Grayson zum erstenmal begegnet bin, redete er ununterbrochen von seiner schönen Tochter. Das machte mich stutzig, und ich argwöhnte, daß er von dem Vermögen meiner Familie
Weitere Kostenlose Bücher