Heimliche Wuensche
zurechtgemachter Freundinnen mit Tee und Gebäck. Charles befand sich mit vier Männern im Eßzimmer und betrachtete mit ihnen den Bauplan für ein neues Frachtbüro. Die Männer tranken Whisky und aßen dazu dick mit Roastbeefscheiben belegte Brötchen. Nellie rannte von der Küche zum Salon und zum Eßzimmer und versuchte, jede Forderung, die ihr Vater und ihre Schwester an sie stellten, zu erfüllen.
Berni betrachtete die Szene und runzelte die Stirn. »Kann ich etwas dafür, wenn sie von meinen Wünschen keinen Gebrauch macht? Es ist nicht meine Schuld, daß sie zu dumm ist, um sich etwas . . .«
»Nellie hat ihre Wünsche ausgesprochen; aber zum Vorteil anderer Menschen.«
»Anderer Menschen? Wie kann man denn nur anderen etwas wünschen?«
Pauline sah wieder auf das Haus. »Nellie schenkte ihren ersten Wunsch ihrer Schwester. Terel sagte, sie wolle das beliebteste Mädchen in der Stadt sein, und so wünschte Nellie das für sie. Natürlich mußte Nellie nun um so mehr kochen, saubermachen und sich um Terels Garderobe kümmern, weil ihre kleine Schwester plötzlich so populär geworden war in Chandler.«
Pauline sah jetzt zu Berni hin. »Nellie wünschte sodann, daß das Geschäft ihres Vaters erfolgreicher sein sollte als bisher. Das wurde es in der Tat, wie du dort sehen kannst. Und Nellie mußte nun noch mehr Arbeit auf sich nehmen.«
»Kräftig genug ist sie ja dafür«, murmelte Berni. »Und wie lautete ihr dritter Wunsch?«
»Das war ein ungewöhnlicher Wunsch, in der Tat. Sie wünschte sich, daß ihr Vater und ihre Schwester alles von ihr bekommen sollten, was sie von ihr haben wollten. Was die beiden sich im Grunde wünschten, war, daß Nellie nichts unternehmen sollte, was ihr Wohlbefinden stören konnte.«
»Ihr Wohlbefinden?«
»Ja«, erwiderte Pauline. »Nellies dritter Wunsch hat sie buchstäblich zum Sklaven ihres Vaters und ihrer Schwester gemacht. Sie kann das Haus nicht verlassen, solange sie nicht sicher sein kann, daß ihre Familie noch irgendwelche Bedürfnisse hat. Schau sie dir doch an.« Pauline drehte sich wieder dem Wandschirm zu. »Sie ist nun viel schlimmer dran als am Anfang. Damals war sie doch wenigstens Herrin ihres Willens gewesen und konnte sich für etwas frei entscheiden, ehe du ihr die Wünsche schenktest.«
Berni sah zu, wie Nellie von einem Zimmer zum anderen hastete und ihre Schwester und ihr Vater sie böse anzischelten, wenn sie ihnen nicht schnell genug war. Und wenn Nellie gerade mal nicht in der Küche war, plünderte das Dienstmädchen Anna die vorbereiteten Platten, um die belegten Brötchen und den Kuchen einem übel aussehenden Subjekt zuzustecken — ihrem Freund, der sich draußen auf der Terrasse versteckte. Und wenn Nellie in die Küche zurückkam und nach Anna rief, damit sie ihr helfen sollte, versteckte sich das Mädchen ebenfalls und kicherte.
»Warum hat sie denn ihre Wünsche nicht für sich selbst verwendet?« fragte Berni. »Sie hätte alles, was sie nur möchte.«
»Du hast ihr nichts davon gesagt, daß sie drei Wünsche hat, und du hast zur Bedingung gemacht, daß diese Wünsche nur dann in Erfüllung gehen sollten, wenn sie aufrichtig und ehrlich gemeint seien. Und Nellie wünscht sich ehrlich und aufrichtig, daß andere Menschen glücklich sind.«
Berni runzelte die Stirn. »Und was ist aus diesem gutaussehenden Typ geworden?«
»Er ist immer noch in der Stadt und er liebt Nellie; aber ich fürchte, da bahnt sich eine Katastrophe an.«
»Was zum Beispiel?«
»Gestern fand ein Ball statt, und Nellie sah reizend aus. Das machte Terel schrecklich eifersüchtig und . . .«
»Eifersüchtig? Die hübsche kleine Terel wurde eifersüchtig auf diesen dicken Pummel?«
»Figur ist nicht alles«, erwiderte Pauline. »Denn jeder in Chandler mag Nellie, und die Leute dort freuen sich, wenn Nellie hübsch aussieht und mit so einem Mann wie Mr. Montgomery befreundet ist. Denn bei all ihrer Hübschheit hat Terel kein angenehmes Wesen.«
Berni blickte zur Seite. Auf der Erde hatte es Zeiten gegeben, wo sie geradezu krankhaft eifersüchtig gewesen war, und es waren nicht die Schönheitsköniginnen gewesen, denen ihre Eifersucht galt, sondern Frauen wie — nun, wie Nellie, die überall Zuneigung fanden, wo sie auch hingingen.
»Was mache ich also jetzt?« fragte Berni leise. »Ihr noch mehr Wünsche schenken? Kann ich die Wünsche widerrufen, die sie verpatzt hat?«
»Nein. Was geschehen ist, ist geschehen. Du mußt dir überlegen, wie du Nellie
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