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Heimliche Wuensche

Titel: Heimliche Wuensche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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länger eine Person, die Mitleid verdiente, sondern die man beneiden mußte.
    Später, nachdem sie ein Teegedeck für sechs Personen verzehrt hatte, begab sich Nellie wieder auf den Heimweg, und sie beachtete auch nicht mit einem Blick die Leute, die stehenblieben und sie angafften. Zu Hause begab sie sich geradewegs in die Küche, band sich ihre Schürze um und begann, das Abendessen zuzubereiten. Sie hatte der Tür den Rücken zugedreht, so daß sie nicht bemerkte, wie Terel hereinkam.
    Terel hatte von ihren Freundinnen erfahren, daß Nellie ein sensationeller Anblick sei, und war deshalb sogleich nach Hause geeilt, um sich davon selbst zu überzeugen. Doch obschon sie vorgewarnt war, übertraf die Wirklichkeit bei weitem ihre Erwartungen. Sie hatte noch nie eine so schöne Frau gesehen wie Nellie. In ganz Chandler gab es nur die Zwillinge, Houston und Blair, die Nellie in dieser Hinsicht vielleicht das Wässer reichen konnten. Und das blaue Samtkostüm betonte noch Nellies neugewonnene schlanke Figur.
    Der Zorn stieg in Terel auf — der Zorn, von ihrer eigenen Schwester verraten worden zu sein. Sie zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht und ging in die Küche hinein. »Nellie, du siehst schön aus — wahrhaftig schön.
    Nellie drehte sich um und bemühte sich ebenfalls zu lächeln. »Es ist ein hübsches Kostüm, nicht wahr?«
    »Ja, wirklich reizend: aber meinst du, daß du es in der Küche tragen solltest? Hast du denn keine Bedenken, daß es beim Kochen verdorben werden könnte?«
    »Ja, wie gedankenlos von mir.« Nellie band sich die Schürze ab und ging in den Oberstock, Terel ihr dicht auf den Fersen.
    »Ich bin ja so froh zu sehen, daß du abgenommen hast. Ich glaube, jetzt kann ich es dir offen sagen, wie sehr Vater und ich uns deinetwegen geschämt haben. Es gab Zeiten, wo wir nicht mit dir zusammen in der Stadt gesehen werden wollten. Nicht, daß wir dich nicht lieb gehabt hätten: aber wir liebten dich trotz deiner Figur. Verstehst du, was ich meine?«
    Als Nellie aus dem blauen Samtkostüm stieg, knurrte ihr der Magen vor Hunger. »Ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst.«
    Terel betrachtete forschend Nellies Figur in dem geliehenen Korsett. Es sieht so aus, als ob du eine total neue Garderobe brauchtest. Vielleicht sollte ich sie besser für dich aussuchen. Vielleicht hast du nicht erkannt, daß Samt nicht unbedingt zur Küchenarbeit paßt. Oder vielleicht willst du jetzt gar nicht mehr für Vater und mich kochen. Vielleicht möchtest du jetzt nur noch einen Ball nach dem anderen besuchen und mit Männern wie Mr. Montgomery tanzen. Vielleicht mit mehr Männern, als du . . .«
    » Nein!« schrie Nellie förmlich auf. »Keine Männer mehr. Ich traue ihnen nicht. Ich möchte nichts mit ihnen zu tun haben. Du suchst die Kleider aus; mir ist es egal, was ich anziehe.« Sie streifte ihr ältestes Hauskleid über, das ihr nun wie ein Fahnentuch um den Leib schlotterte, als sie wieder nach unten eilte und es auf der Treppe zuknöpfte.
    Sobald sie in der Küche war, nahm sie einen Kuchen, der noch heiß war vom Ofen, und begann ihn zu verschlingen. »Keine Männer mehr«, sagte sie laut. »Keine Männer mehr.«
    Wenn Nellie nichts mehr mit Männern im Sinn hatte, so hatten die Männer, Nellie betreffend, eine sehr gegenteilige Einstellung. Nachdem das Mädchen von der männlichen Bevölkerung in Chandler ihr Leben lang mit Nichtachtung bestraft worden war, wurde sie plötzlich förmlich von dieser belagert. Es regnete Einladungen; junge Männer harrten stundenlang vor ihrem Haus aus und folgten ihr dann überall hin, wenn sie zum Einkaufen ging. Sie boten ihr an, ihre Einkäufe nach Hause zu tragen und Botengänge für sie zu übernehmen. Und es gab keine Veranstaltung, zu der sie nicht gleich dutzendweise eingeladen wurde.
    Offenbar konnte Nellie machen, was sie wollte: Es gelang ihr nicht, die Männer abzuschrecken. Sie redete nicht mit ihnen, gönnte ihnen nicht das kleinste Lächeln. Sie unternahm nichts, was sie in den Augen der Männer hätte begehrenswert erscheinen lassen. Im Gegenteil — sie trug die unansehnlichen, ihr viel zu großen Kleider, die Terel für sie aussuchte, und beklagte sich nicht, wenn Terel Ihre Haare absichtlich mit der Brennschere versengte. Dennoch vermochte das alles offenbar die jungen Männer nicht zu entmutigen. Tatsächlich waren alle Bemühungen von Terel, Nellies Schönheit zu verschleiern, vergeblich, und Nellies Zurückhaltung ermunterte die jungen Männer nur noch

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