Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin
wollte einfach Geld sparen. Wenn die Zitate kenntlich
gewesen wären, hätte er den amerikanischen Verlag eventuell um die Rechte
bitten und ein bisschen was dafür hinlegen müssen, so war’s billiger.«
»Den Scheinvertrag können Sie auch nicht anfechten«, sagte Johannes,
»wenn das auf einem Zettel steht, dann glaubt der Richter das.«
»Das kostet mich ein Drittel meiner Lebensversicherung«, sagte ich.
Merkwürdigerweise war mir das egal. Fast hatte es sogar etwas von einer
Befreiung. Ich würde die Versicherung plündern und als potenzieller Sozialfall
weitermachen. Na und?
Johannes erklärte mir, dass er sich nicht gut genug auskenne im
Urheberrecht, um mir mehr und bessere Hilfe anbieten zu können, und fragte, ob
ich eine Rechtsschutzversicherung hätte.
»Zu teuer«, sagte ich.
»Spätestens jetzt hätte sich das bezahlt gemacht.«
Es gelang mir, das Thema zu wechseln, ich hatte einfach keine Lust,
über meinen Schlamassel nachzudenken, ich fragte sie nach ihren Kindern und
erfuhr, dass die Mädchen sich sechs Tage in der Woche stritten und am siebten
wie Zwillinge aufführten, dass man üblicherweise ein Mamakind und ein Papakind
möglichst weit entfernt voneinander beschäftigen musste, und es jetzt, da die
beiden weg seien, endlich Zeit für ein Paarleben gäbe. Sie lächelten sich an,
als sie das erzählten.
˜
Johannes bestand darauf, mich nach Hause zu begleiten.
»Wer weiß, was alles passieren kann auf den hundert Metern da rüber«, sagte er.
»Mutierte Weinbergschnecken greifen an«, sagte Carmen.
»Oder Werkatzen«, bot ich an.
»Vollmond ist erst übermorgen.« Sie gab mir die Hand. »Gute Nacht.«
Am Vogelhäuschen wurde mir klar, wieso er mich unbedingt begleiten
wollte. Er griff mit geübter Bewegung hinein und holte eine Schachtel
Zigaretten, eine Packung Fisherman’s Friends und ein Feuerzeug heraus, steckte
sich eine an und zog genüsslich. Mein Lächeln sah er nicht.
»Einmal am Tag brauch ich’s«, sagte er, »aber Carmen würde mir den
Kopf abreißen, wenn sie’s wüsste.«
»Es vertreibt die gefährlichen Weinbergschnecken«, sagte ich.
»Genau.«
Er gab mir die Hand, als wir beim Gartentor des Bungalows angekommen
waren. »Viel Glück«, sagte er, zog am letzten Rest seiner Zigarette und warf
die Kippe in den Weinberg. »Schlafen Sie gut.« Ich hörte das Rascheln der
Fisherman’s-Friends-Packung, als er sich auf den Rückweg machte.
Im Sessel lag Isso. Ein Katzenguglhupf. Sogar den Schwanz hatte sie
so um sich gewickelt, dass nichts die perfekte Kreisform störte. Ihre
Körperhaltung sagte, ich schlafe ganz tief, aber ihr Auge sagte was anderes. Es
war offen und schaute mich an.
»Hallo Schönheit.«
Keine Antwort.
»Ich seh aber, dass du wach bist.«
Keine Antwort.
»Eigentlich würde ich jetzt auch gern noch ein bisschen im Sessel
sitzen und die schöne Nacht genießen.«
»Das geht schlecht.«
»Aber wenn du woanders schlafen könntest, ginge es schon.«
»Ist jetzt aber mein Sessel. Und ich schlafe. Du wirst mich doch
nicht stören wollen.«
»Dein Sessel?«
»Isso. Nix zu machen.«
»Aha. Und kann ich vielleicht sonst noch was für dich tun?«
»Mich kraulen. Aber ganz vorsichtig. Zwischen den Schultern, bitte.«
Ich gehorchte.
In einiger Entfernung hörte ich den Ruf eines Käuzchens. Ich saß auf
dem Schemel und fuhr mit meinem Zeigefinger über Issos Nacken und zwischen ihre
Schulterblätter und zurück. Und hin. Und zurück. Sie schnurrte und rekelte sich
in meine Fingermassage hinein, ihre Pfoten bewegten sich, die Krallen glitten
heraus und bohrten sich in die Luft. Oder in den imaginären Bauch ihrer Mutter
beim imaginären Trinken imaginärer Milch.
Die immer noch warme Sommernacht roch so gut und klang so
verwunschen mit Issos Schnurren und den gelegentlichen Rufen des Käuzchens,
dass ich am liebsten hier draußen geschlafen hätte, aber es war zu unbequem. Im
Sitzen auf dem Schemel ging das einfach nicht.
Ich holte meinen Laptop heraus und spielte das Kugelspiel, so lange
bis der Akku schlappmachte. Den Ton hatte ich aus Rücksicht auf Issos Schlummer
abgeschaltet – das ständige leise Klicken der Maustaste war schon störend
genug. Es passte gerade noch zum Käuzchen und den kleinen Schlafgeräuschen, die
ich jetzt zum ersten Mal bei Isso hörte. Es war eine Mischung aus Glucksen und
Wimmern. Es rührte mich. Ich fühlte mich als Beschützer ihres Schlafs.
˜
Ich wachte auf, weil Issos raue Zunge wieder
Weitere Kostenlose Bücher